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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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können, wäre sein vages Lächeln wohl
direkt auf Rebus gerichtet gewesen und nicht ein paar Zentimeter über der Schulter des Detective
gelandet.
»Wie gemütlich«, bemerkte Rebus und atmete das trockene Aroma des Earl Grey ein.
Charlie setzte sich auf das Sofa, schlug die Beine übereinander und wirkte fast entspannt. Ja, er
kannte dieses Zimmer gut, ging dort so selbstverständlich ein und aus, so wie man in eine alte
bequeme Hose schlüpft. Er machte Anstalten, etwas zu sagen, doch Vanderhyde schien erst etwas
klarstellen zu wollen.
»Charles hat mir alles über diese Sache erzählt, Inspector Rebus. Nun ja, das heißt, er hat mir
so viel erzählt, wie ich seiner Meinung nach wissen sollte.« Charlie starrte seinen Onkel wütend
an, der bloß lächelte, obwohl er seine Verärgerung offenbar genau spürte. »Ich habe Charles
gesagt, er solle noch einmal mit Ihnen reden. Das scheint er aber nicht zu wollen. Schien er nicht zu wollen. Jetzt hat er keine andere Wahl mehr.«
»Woher wussten Sie das?«, fragte Charlie, der hier viel besser hinpasste als in irgendein
hässliches besetztes Haus in Pilmuir, dachte Rebus.
»Woher wusste ich was?«, fragte Rebus.
»Wo Sie mich finden würden. Woher wussten Sie von Onkel Matthew?«
»Ach das.« Rebus zupfte unsichtbare Fäden von seiner Hose. »Aus deinem Essay. Er lag auf deinem
Schreibtisch. Wie praktisch.«
»Was?«
»Einen Essay über das Okkulte zu schreiben, wenn man einen Hexer in der Familie hat.«
Vanderhyde lachte in sich hinein. »Keinen Hexer, Inspector. Niemals. Ich glaube, ich habe in
meinem ganzen Leben nur einen Hexer getroffen, einen wahren Hexer. Und der ist tatsächlich
von hier.«
»Onkel Matthew«, unterbrach Charlie. »Ich glaube nicht, dass der Inspector hören will...«
»Ganz im Gegenteil«, sagte Rebus. »Deswegen bin ich doch hier.«
»Ach so.« Charlie klang enttäuscht. »Also nicht, um mich zu verhaften?«
»Nein, allerdings hättest du eine ordentliche Ohrfeige verdient für das blaue Auge, das du Tracy
verpasst hast.«
»Sie hat es verdient!« Charlies Stimme klang bockig. Er hatte die Unterlippe vorgeschoben wie ein
kleines Kind.
»Du hast eine Frau geschlagen?«, fragte Vanderhyde entgeistert.
Charlie sah zu ihm hin, dann schaute er wieder weg, als könnte er einem Blick nicht standhalten,
der gar nicht da war ­ nicht da sein konnte.
»Ja«, fauchte Charlie. »Aber guck doch mal.« Er zog seinen Rollkragenpullover am Hals herunter.
Zwei lange Striemen kamen zum Vorschein, das Werk spitzer Fingernägel.
»Ganz schöne Kratzer«, kommentierte Rebus für den blinden Mann.
»Du hast die Kratzer, sie ein blaues Auge. Damit wärt ihr wohl quitt, sozusagen Auge um
Hals.«
Vanderhyde beugte sich auf seinem Stock leicht nach vorne und lachte wieder in sich hinein.
»Sehr gut, Inspector«, sagte er. »Wirklich sehr gut. Nun...« Er führte den Becher an seine Lippen
und pustete. »Was können wir für Sie tun?«
»Ich bin in Charlies Essay auf Ihren Namen gestoßen. In einer Fußnote wurden Sie als mündliche
Quelle zitiert. Deshalb nahm ich an, dass Sie hier in Edinburgh wohnen und man irgendwie an Sie
herankommen könnte. Außerdem gibt es nicht allzu viele...«
»... Vanderhydes im Telefonbuch«, beendete der alte Mann den Satz.
»Ja, das sagten Sie bereits.«
»Aber Sie haben schon die meisten von meinen Fragen beantwortet. Das heißt, was die schwarze
Magie betrifft. Ich würde jedoch gern noch ein paar Dinge mit Ihrem Neffen klären.«
»Möchten Sie, dass ich...?« Vanderhyde hatte sich schon halb erhoben. Rebus deutete ihm mit einer
Handbewegung an, er könne ruhig bleiben. Dann wurde ihm bewusst, dass diese Geste sinnlos war.
Doch Vanderhyde hielt bereits inne, als hätte er Rebus' Reaktion vorausgeahnt.
»Nein, Sir«, sagte Rebus, als Vanderhyde sich wieder setzte. »Es dauert nur ein paar Minuten.« Er
wandte sich Charlie zu, der fast in den tiefen Polstern des Sofas versank. »Also, Charlie«,
begann Rebus, »du bist bis jetzt bei mir als Dieb und wegen Beihilfe zum Mord vermerkt. Hast du
irgendwas dazu zu sagen?«
Rebus beobachtete mit Vergnügen, wie das Gesicht des jungen Mannes seine bräunliche Farbe verlor
und nun eher an rohen Teig erinnerte. Vanderhyde zuckte, aber ebenfalls eher amüsiert als aus
Unbehagen. Charlie sah auf der Suche nach einem freundlichen Blick von einem zum anderen. Aber
die Augen, die er sah, waren blind für sein Flehen.
»Ich... ich...«
»Ja?«, drängte Rebus.
»Ich hol mir

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