Daughter of Smoke and Bone
schrieben, während sie darauf warteten, dass die nächste Ladung Touristen an ihnen vorbeigeführt wurde.
»Was willst du hier?«, fragte Svetla und verzog die Lippen, als würde ihr ein unangenehmer Geruch in die Nase steigen. Sie war eins dieser schönen Mädchen, die ein Talent dafür hatten, sich hässlich zu machen.
Karou blickte zurück zur Karlova und dann die Gasse entlang zur nächsten Biegung, hinter der sie Zuflucht finden könnte. Sie war zu weit weg; das Risiko war zu groß. Sie konnte spüren, wie ihr Verfolger immer näher kam.
»Falls du Kaz suchst, das kannst du gleich vergessen. Er hat mir erzählt, was du gemacht hast.«
Ach Gottchen
, dachte Karou. Als ob das jetzt noch eine Rolle spielen würde. »Svetla, halt die Klappe«, sagte sie, drängte sich zu ihr in die Nische und schubste das andere Mädchen mit dem Rücken gegen die Mauer.
Svetla gab einen Laut des Erstaunens von sich und versuchte, Karou wegzuschieben. »Was soll das, du Freak?«
»Ich hab gesagt, du sollst die Klappe halten«, fauchte Karou, und als Svetla nicht auf sie hörte, zog sie ihr Messer aus dem Ärmel und hielt es hoch. Die Klinge war an der Spitze gebogen wie die Kralle einer Katze, und auf der scharfen Kante brach sich schimmernd das Licht. Svetla stieß einen leisen Schreckensschrei aus, verstummte aber nicht für lange. »Oh, na klar. Als würde ich glauben, dass du mich erstechen …«
»Hör zu«, raunte Karou. »Sei einfach mal einen Moment leise, dann bringe ich deine dämlichen Augenbrauen in Ordnung.«
Svetla starrte sie einen Moment ungläubig an. »Was?«, krächzte sie dann heiser.
Svetla hatte einen langen, geraden Pony, der genau bis zu den Augen reichte, und sie hatte ihn mit so viel Haarspray gebändigt, dass er sich kaum bewegte. Und das alles nur, um ihre Augenbrauen zu verbergen, für die Karou um die Weihnachtszeit einen Shing verschwendet hatte. In ihrem derzeitigen Zustand – schwarz, dick und buschig – waren sie ihrer Modelkarriere wahrscheinlich nicht gerade zuträglich.
Svetlas Gesichtsausdruck schwankte zwischen Verwirrung und Empörung. Es konnte doch nicht sein, dass Karou von ihren Augenbrauen wusste, wo sie doch immer so sorgfältig darauf achtete, sie zu verdecken! Sie dachte wahrscheinlich, dass Karou ihr nachspionierte. Karou interessierte es nicht, was sie dachte. Sie wollte nur Ruhe. »Das ist mein Ernst«, flüsterte sie. »Ich kann das beheben, aber nur, wenn ich lange genug lebe, also sei endlich still.«
Stimmen wehten von der Karlova herüber, zusammen mit Musik aus den nahe gelegenen Cafés und dem Verkehrslärm. Schritte waren nicht zu hören, aber das hatte nichts zu bedeuten – Jäger verstanden es, sich leise an ihre Beute anzuschleichen.
Svetla sah immer noch völlig entgeistert aus, aber jetzt war sie wenigstens still. Karou lauschte, grimmig und regungslos.
Jemand näherte sich. Schritte, wie Geister von Schritten. Draußen in der Gasse erschien ein Schatten. Karou beobachtete, wie er über den Boden kroch und immer länger wurde. Ihre Handflächen pulsierten heftig; sie umklammerte ihr Messer und starrte den Schatten ungläubig an. Was war das?
Sie blinzelte, Worte schossen ihr durch den Kopf. Nicht das, was Bain gesagt hatte, sondern Razgut.
Mein Bruder hat nach dir gesucht, meine Hübsche.
Der Schatten. Der Schatten hatte
Flügel
.
O Gott, es war der Engel. Karous Herz setzte einen Schlag aus. Sie war so auf Bains Warnung konzentriert gewesen, dass sie die Zeichen nicht erkannt hatte: die pulsierende Energie in ihrer Handfläche. Ihre Hamsas brannten wie Feuer. Warum hatte sie das nicht früher bemerkt? Sie warf Svetla einen warnenden Blick zu und legte den Finger auf die Lippen. Svetla schloss den Mund. Sie sah aus, als hätte sie Angst.
Der Schatten kam näher und mit ihm auch der Engel. Angestrengt spähte er nach vorn. Seine Flügel waren unsichtbar, seine Augen glühten in der Dunkelheit, und Karou konnte sein Profil deutlich erkennen. Seine Schönheit war genauso schockierend wie das erste Mal, als sie ihn gesehen hatte, und sie wünschte sich, Profesorka Fiala, die ihr nicht geglaubt hatte, könnte ihn sehen. Auf dem Rücken trug der Engel zwei Schwerter, aber seine Arme hingen untätig an seinen Seiten, die Hände leicht angehoben, als wollte er zeigen, dass er unbewaffnet war.
Schön für dich
, dachte Karou und umfasste ihr Messer fester.
Ich nicht.
Dann erreichte der Engel die Nische.
Karou sammelte sich.
Und stürzte sich auf
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