Daughter of Smoke and Bone
zufriedengeben«, erwiderte Akiva, ohne sie anzusehen, und seine Stimme klang hohl.
Liraz zog ihr Schwert, und Hazael tat es ihr gleich. Die Polizisten wichen zurück, zogen ihre Pistolen und befahlen den Engeln auf Tschechisch, ihre Waffen fallen zu lassen. Panikschreie waren unter den Schaulustigen zu hören, und Zuzana, die mitten in dem Gedränge stand, starrte Karou fassungslos an.
Akiva griff mit beiden Händen über die Schulter nach seinen Schwertern und zog sie mit einem leisen Klirren aus den gekreuzten Scheiden. Ohne zurückzusehen, drängte er: »Karou.
Los!
«
Bevor sie sich in die Lüfte schwang, bat sie ihn mit erstickter Stimme: »Komm zu mir zurück, Akiva.«
Und dann war sie verschwunden, und er musste sich allein den Konsequenzen seiner Entscheidung stellen.
Im Traum verloren
Akiva konnte das Blut nicht aufhalten. Mit jedem Herzschlag quoll mehr der dicken, warmen Flüssigkeit unter seinen Fingern hervor. Die Wunde war tief und klaffend. Unmöglich, sie zuzudrücken.
Er würde sterben.
Die Welt um ihn herum hatte ihren Horizont verloren. Dichter Nebel verschleierte den Strand von Bullfinch. Akiva hörte, wie sich ganz in seiner Nähe die Wellen brachen, aber alles, was er sehen konnte, waren die Leichen überall um ihn herum: graue, vom Nebel verschleierte Hügel, unmöglich zu erkennen, ob es Chimären waren oder Seraphim. Nur den Körper des Wesens, das ihm am nächsten lag, erkannte Akiva: Es war sein letzter Gegner, eine Bestie, halb Hyäne, halb Echse, eine wahre Monstrosität, in deren Brust nun Akivas Schwert steckte. Sie hatte Akiva vom Schlüsselbein bis zum Oberarm aufgeschlitzt, und gegen den Angriff ihrer scharfen Klauen hatte sein Kettenhemd nichts ausrichten können. Das Ungetüm hatte sich an ihn geklammert und seine Zähne selbst dann noch in seine Schulter gegraben, als das Schwert bereits seinen Brustkorb durchbohrte. Akiva hatte die Klinge umgedreht, noch tiefer zugestoßen und wieder gedreht, doch sosehr die Bestie auch brüllte, hatte sie erst von ihm abgelassen, als der Tod sie holte.
Auf einmal durchschnitt ein Schrei die Stille. Er erschrak und presste unwillkürlich seine Wunde fester zusammen. Später würde er sich fragen, warum er das getan hatte. Er hätte loslassen und versuchen sollen zu sterben,
bevor
sie ihn erreichten.
Die Chimären zogen über das Schlachtfeld und töteten die Verwundeten. Sie hatten den heutigen Kampf gewonnen und die Seraphim zurück in die Festung an der Morwen-Bucht getrieben. Sie würden keine Gefangenen machen. Warum ließ Akiva dann nicht zu, dass der Blutverlust ihn sanft in die Tiefe zog, warum gab er sich dem Tod nicht hin wie einem tiefen Schlaf? Der Feind war längst nicht so gnädig.
Was ließ ihn zögern? Hoffte er, noch einen letzten Chimärenkrieger mit sich in den Tod zu reißen? Aber wenn das der Grund war, warum versuchte er dann nicht, sich zu der toten Bestie zu schleppen und sich sein Schwert zurückzuholen? Er lag einfach da, hielt seine Wunde und lebte diese zusätzlichen Minuten, ohne zu wissen, wofür.
Und dann sah er sie.
Zuerst war sie nur eine Silhouette. Gewaltige Fledermausflügel, lange, geriffelte Gazellenhörner – sie gehörte eindeutig zum Feind. Schwarzer Hass erfüllte Akiva, während er zusah, wie sie neben einem Gefallenen nach dem anderen stehen blieb. Schließlich kam sie zu der Leiche der Hyänenechse und hielt dort für einen langen Moment inne – was tat sie da? War das eine Art Todesritual?
Dann drehte sie sich um und ging langsam auf Akiva zu.
Mit jedem Schritt konnte er sie deutlicher sehen. Sie war schlank und hatte lange Beine – die Oberschenkel eines Menschen, die unter dem Knie in Gazellenbeine übergingen, auf deren gespaltenen Hufen sie elegant zu balancieren schien. Ihre Flügel waren zusammengefaltet, ihr Gang war gleichzeitig anmutig und kraftvoll. In der Hand hielt sie eine Mondsichelklinge; eine zweite steckte in einer Scheide an ihrer Seite. In der anderen Hand trug sie einen langen Stab, der keine Waffe war. Er war gebogen wie ein Schäferstab, und daran hing etwas Silbernes – eine Laterne?
Nein, keine Laterne. Es gab kein Licht ab, sondern Rauch.
Schritt für Schritt kam sie näher, bis er schließlich durch den Nebel ihr Gesicht sehen konnte – und sie seines. Sie blieb wie angewurzelt stehen, als sie erkannte, dass er lebte. Akiva bereitete sich auf einen blitzschnellen Angriff vor und auf den neuerlichen Schmerz, wenn ihre Klinge in sein Fleisch drang.
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