David Trevellyan 01 - Ohne Reue
mehr lange warten, das ist zu gefährlich. Vielleicht noch einen Tag, höchstens zwei.«
» Das ist knapp. Wir wissen nicht mal, auf was sie es abgesehen haben.«
» Vielleicht weiß Taylor mehr. Ich werde noch einmal mit ihm reden. Wenn er es weiß, wird er es mir sagen.«
» Nein, wird er nicht. Er ist draußen. Sein Anwalt hat ihn rausgeholt. Nach dem, was Sie mit ihm angestellt haben, brauchte er dafür nur zwei Minuten.«
» Was habe ich denn angestellt? Ich habe ihn nicht mal berührt.«
» Das sieht er anders. Spielt aber auch keine Rolle. Er ist weg.«
» Hat er seine Sachen zurückbekommen?«
» Ich glaube schon. Warum?«
» Wenn er sein Telefon hat, könnte ich ihn anrufen und irgendetwas anleiern.«
» Habe ich schon versucht. Er ist nicht drangegangen.«
» Vielleicht geht er dran, wenn er meine Nummer sieht. Oder Mansells. Ich habe seine SIM-Karte behalten, nachdem wir die Daten heruntergeladen haben.«
» Vielleicht. Aber könnten Sie damit warten, wenigstens bis morgen? Als wir Taylor nicht erreichen konnten, habe ich mit Varley gesprochen. Er versucht, die Sache mit den Razzien zu beschleunigen. Es könnte sie aufschrecken, falls Taylor denkt, Sie säßen ihm noch im Nacken.«
» Okay. Aber beeilen Sie sich mit den Razzien. Denn das ist eine riesige Sache.«
» Das wissen wir noch nicht. Es besteht kein Grund, Panik zu verbreiten.«
» Doch, wir wissen es. Denken Sie doch mal nach. Was bringt eine Niere auf dem Schwarzmarkt? Einschließlich der Operation?«
» Keine Ahnung. Vielleicht hundertfünfzig Riesen. Warum?«
» Taylor sagte, sie machen eine Transplantation pro Tag. Sie haben fünf Kliniken. Das sind zweihundertfünfzig Millionen Dollar im Jahr, selbst wenn sie Weihnachten freinehmen. Es muss schon eine Riesensache dahinterstecken, um so viel Geld den Rücken zu kehren.«
Die beiden Jugendlichen waren weitergegangen und trieben sich jetzt bei einer anderen Reihe parkender Autos herum. Ich ging bis zum Ende des Blockes, um sie näher unter die Lupe zu nehmen. Einer von ihnen holte einen Kaugummi aus dem Mund und klebte ihn auf die Kühlerhaube eines alten, kantigen Chevrolet. Dann gingen sie zum nächsten Auto. Es war ein Jaguar XKR, schiefergrau-metallic lackiert und glänzend, als wäre er gerade erst aus dem Schaufenster gerollt.
Der Junge mit dem Kaugummi lehnte sich mit beiden Händen auf den Kotflügel des Jaguars, die Finger gespreizt wie dicke Seesterne. Er drückte sie ein paar Sekunden lang fest nach unten und richtete sich dann auf, um zu sehen, wie viel Dreck und Fett er auf dem Lack hinterlassen hatte. Sein Kumpel nickte und schnippte gelangweilt gegen die Scheibenwischer. Dann bemerkten sie, dass ich ihnen zusah. Instinktiv begann ich, mich zurückzuziehen, doch dann hielt ich inne. Mir fiel ein, dass ich gar nicht arbeitete. Ich hatte frei. Es bestand an diesem Abend keine Notwendigkeit, unsichtbar zu sein. Es spielte keine Rolle, wer mich sah oder ob sich später jemand an mein Gesicht erinnerte. Ich konnte die Jungen so dreist anstarren, wie ich wollte. Ich hätte sogar hinübergehen und sie zurechtweisen können, etwas mehr Respekt vor dem Eigentum anderer Leute zu haben.
Die Idee gefiel mir, doch bevor ich sie umsetzen konnte, klingelte mein Handy erneut. Diesmal war es Tanya.
» David, es tut mir leid«, begann sie.
» Du kommst nicht«, sagte ich.
» Nein.«
» Warum nicht? Was ist es diesmal?«
» David, sei mir nicht böse. Ich stecke in Schwierigkeiten.«
» Warum? Was ist passiert?«
» In meiner Wohnung. Zwei Männer haben mich entführt. Jetzt halten sie mich fest.«
» Bist du verletzt?«
» Nein, mir geht es gut. Bis jetzt.«
» Gut. Wo bist du?«
» In der Klinik.«
» Sie halten dich in der Klinik fest? In der 66 th Street?«
» Ja.«
» Haben sie gesagt, was sie wollen?«
» Ja. Dich. Sie wollen, dass du hier in die Klinik kommst. Allein.«
» Mich?«
» Ja. Sie sagen, wenn du innerhalb einer Stunde allein herkommst, lassen sie mich gehen.«
» Haben sie ausdrücklich nach mir verlangt? Mit Namen?«
» Ja. Aber David, das darfst du nicht tun! Finde Mansell! Ich werde … au! Jemand hat mich geschlagen!«
» Sei nicht albern, Tanya, ich komme dich holen. Keine Angst, alles wird gut gehen. Jetzt sag mir, wie viele Leute dich festhalten? Einer? Zwei? Drei? Vier?«
» Ja.«
» In welchem Teil des Gebäudes bist du? Keller? Erdgeschoss? Erster Stock?«
» Ja. Au! Sie schlagen mich wieder. Sie sagen, deine Zeit sei um.«
»
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