Daylight oder wie der Tag zur Nacht wird
Hatte Maik Euch das nicht erzählt? Wenn nicht, werde ich ihn daran erinnern."
"Haben Sie nun eine Schaufel, oder nicht?", rief Arianna ungeduldig. Doch auch diesmal ignorierte der Blonde sie und fragte mich, ob es nicht ein wenig zu eng wäre, in Maiks Wohnung zu schlafen und ich nickte.
"Ja, schon. Aber wenn man Platz schafft, passen wir alle rein. Es ist nicht mehr für lange. Unsere Abreise könnte noch heute stattfinden. Aber vielleicht auch in drei Tagen. Ich weiß es nicht genau. Eine Großtante von uns liegt im Sterben und wir wollen erst wieder dort sein, wenn es vorüber ist. Ich weiß, das hört sich jetzt nicht gutmütig, sondern gemein und unfair an. Wenn Sie diese Frau kennen würden, dann wüssten Sie wovon ich spreche. Verstehen Sie?"
Der junge Mann nickte eifrig und sein Blick verriet, dass er mir nicht komplett folgen konnte. Naja, auch egal, als Höflichkeit fragte er sowieso nicht nach.
Ich war richtig stolz auf mich. Woher kamen diese guten Lügen über meine Lippen? Noch nie hatte ich so gut gelogen. Es könnte mein Hobby werden. Diesmal holte ich tief Luft um nach einem Spaten zu fragen, doch da platzte er schon mit der Sprache heraus. Zumindest dachte ich das.
"Ja ja, schon gut. Obwohl ihr immer noch nicht gesagt habt, wozu ihr so etwas braucht. Ist Maik denn nicht da?"
Ich schüttelte nur den Kopf.
"Also wozu braucht ihr einen Spaten, wenn er nicht einmal hier ist?"
Neugierig musterte er uns. Arianna stöhnte genervt. Auch ich hatte meine Zweifel, ob er noch ganz dicht war.
"Verpassen Sie nicht Ihr Fest, wenn wir Ihre Zeit noch länger in Anspruch nehmen?"
"Doch, doch. Aber es ist eine langweilig Veranstaltung, zu der ich eingeladen bin. Wollen Sie mich etwa begleiten? Natürlich müssten Sie sich etwas anderes zum Anziehen besorgen. Wollen Sie mitkommen?"
"Oh, nein! Nein!"
Ich hätte beinahe vor Hohn laut aufgelacht.
Der Mann sah zuerst wirklich enttäuscht aus. Er hatte nicht allen Ernstes geglaubt, ich würde mit ihm dorthin gehen. Doch dann setzte er sein Lächeln wieder auf.
"Okay, ich verstehe. Ich selbst will ja auch nicht dorthin gehen."
Er fuhr sich mit der flachen Hand durch sein blondes Haar und ließ ein paar Strähnen nach oben stehen.
"Na leider komme ich nicht aus. Schade. Einen schönen Tag wünsche ich noch.", sagte er und ging. Mit der rechten Hand winkte er uns noch einmal flüchtig zu.
Arianna wollte ihm nachlaufen, da wir noch immer nicht wussten wo ein Spaten sein könnte, doch ich hielt sie am Oberarm fest.
"Es hat keinen Zweck. Der Kerl hat ganz bestimmt eine Schraube locker."
Die Kleine blickte mir in die Augen und legte sich den Zeigefinger an die Lippen. "Pssst." Sie zwinkerte mit den Augenlidern und fing an zu prusten.
"Komm sei ruhig. Noch kann er dich hören. Jetzt müssen wir wohl alleine weiter suchen."
Eifrig nickte sie.
Mich wunderte es noch immer. Sie tat so als wäre nichts geschehen. Als hätte ich sie nicht mit ganzer Kraft in einen Schrank gestoßen oder ihr seelische Schmerzen bereitet. Mir fiel auch auf, dass sie noch kein Wort über ihr erstes Bluttrinken gesprochen hatte, obwohl sie zu Beginn noch richtig neugierig darauf gewesen war. Vielleicht war es ihr auch nur peinlich, dass sie ihre Instinkte nicht besser unter Kontrolle gebracht hatte.
Wir drehten um und gingen wieder zurück in den Garten. Ich wollte Eddi gerade zurufen, dass es noch ein bisschen dauern könnte, doch da erblickte ich ihn, wie er sich über ein mittelgroßes Loch beugte und das Bündel mit dem toten Kind hineinlegte.
"Wie hast du ...?"
Er blickte uns an, hob einen großen grünen Spaten in die Höhe und lächelte. Susan stand einige Meter vor dem Loch und sah ins Leere.
"Tja. Maik musste sich früher doch regelmäßig um den Garten gesorgt haben. Hier, der lehnte dort an der Wand. Fast nicht zu übersehen."
Eddi stand auf und klopfte sich den größten Dreck von der Jeans. Es brachte nichts. Er sah noch immer aus wie ein Bergarbeiter.
"Muss ich das Loch jetzt wieder zuschütten?"
Arianna nickte und er stöhnte auf. Aufmunternd lächelte ich ihm zu. Langsam und sanft ließ er die Erde auf das Kind herabrieseln. Susan drehte sich zu dem Grab um und kam ein kleines Stückchen näher.
Ihre Augen und ihr Gesicht waren kalt und starr. Ich konnte nicht erraten was sie wirklich fühlte. Doch etwas zu vermuten, war nicht schwer. Sie tat mir unendlich Leid.
Wut, Trauer und Verzweiflung, genau das musste sie fühlen. Es waren die stärksten Gefühle, die
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