Days of Blood and Starlight
postierte zusätzliche Wachen. Die Dunkelheit war erfüllt von leisen Geräuschen: ein Trappeln, ein Knacken. Die Hände der Wachen lagen heiß auf ihren Schwertknäufen, das Blut dröhnte in ihren Ohren, nervös huschten ihre Augen umher.
Und dann fingen die Sklaven an zu singen.
Das war in den Nächten zuvor nie passiert. Die Sklavenhändler waren es gewohnt, leises Gewimmer von ihren Gefangenen zu hören, keinen Gesang, und es gefiel ihnen nicht. Die Stimmen der Bestien waren rau und kraftvoll, wild und furchtlos. Als die Seraphim versuchten, sie zum Schweigen zu bringen, peitschte ein Reptilienschwanz aus der dichtgedrängten Masse und riss eine der Wachen von den Füßen.
Und dann, von einem Augenblick auf den anderen, waren sie da. Albträume. Retter. Sie kamen von oben , und im ersten, verwirrten Moment glaubten die Sklavenjäger, Verstärkung wäre eingetroffen. Aber diese Geflügelten waren keine Seraphim. Schwingen und Schreie, spitze Hörner und Geweihe, peitschende Schwänze und gebeugte Bärenschultern. Borsten, Klauen.
Schwerter und Zähne.
Kein Engel überlebte.
In alle Winde verstreuten sich die befreiten Sklaven, mit den Schwertern und Äxten – und ja, auch den Peitschen! – ihrer Häscher bewaffnet. So leicht würden sie sich in Zukunft nicht mehr einfangen lassen.
Stille legte sich über das Land. Auch darin lag eine Botschaft, geschrieben mit dem Blut des Massakers – dieselben Worte, die in den nächsten Tagen auf unzähligen Schlachtfeldern auftauchen würden:
Wir sind auferstanden. Jetzt seid ihr an der Reihe zu sterben.
Paradies
Es war einmal, da verliebten sich ein Engel und ein Teufel ineinander, und sie wagten es, sich gemeinsam eine neue Art von Leben vorzustellen – ein Leben ohne Massaker, ohne aufgeschlitzte Kehlen und Scheiterhaufen für die Gefallenen, ohne Wiedergänger oder Bastardarmeen, ohne Kinder, die den Armen ihrer Mütter entrissen wurden, um selbst zu töten und zu sterben.
Es war einmal, da lagen die Liebenden eng umschlungen im geheimen Tempel des Mondes und erträumten sich eine Welt, die war wie eine Schmuckschatulle ohne Schmuck – ein Paradies, das nur darauf wartete, dass sie es fanden und mit ihrem Glück erfüllten.
Doch es war nicht diese Welt.
Land der Geister
Akiva, Hazael und Liraz gingen zwischen den toten Engeln umher und ließen wortlos die Blicke schweifen. Ihr Schweigen war erfüllt von lodernder Wut. Diese Leichen waren zerfleischt , wie Mäuse, mit denen Katzen ihr Spiel getrieben hatten. Akiva hätte nicht mehr sagen können, ob er sie gekannt hatte – die Blutgeier hatten ganze Arbeit geleistet –, aber von ein paar Gesichtern war noch genug übrig, um zu erkennen, wie sie verstümmelt worden waren. Seit Generationen hatte man diese obszöne Grimasse nicht mehr gesehen, aber allen Seraphim und Chimären war die Erinnerung daran tief ins Gedächtnis eingegraben. Es war die Signatur des Kriegsherrn, des Anführers der Chimären.
Genau dasselbe hatte er seinen Seraphim-Meistern angetan, als er sich vor tausend Jahren aus der Sklaverei befreit und die Welt verändert hatte. Breite Streifen Land waren damals vom Imperium zurückerobert worden, und die Chimären hatten freie Territorien errichten können. Das blutige Grinsen war ein mächtiges und unmissverständliches Zeichen ihrer Rebellion.
»Harmonie mit Bestien«, fauchte Liraz leise, ein zynisches Zitat der Worte ihres Bruders, und Akiva zuckte zusammen. Er selbst hatte das noch vor einiger Zeit gesagt, was sollte er nun darauf erwidern? Dass diese Seraphim-Soldaten unzählige Dörfer in Brand gesteckt hatten und selbst alles andere als unschuldig waren? Das hätte geklungen, als glaubte er, sie hätten dieses Blutbad verdient, und das war ganz und gar nicht der Fall. Aber er spürte auch keine Empörung über ihren grausamen Tod – nur eine tiefe Traurigkeit. Die Soldaten hatten getan, was sie getan hatten, und daraufhin war ihnen das Gleiche angetan worden. So ging es immer weiter.
Im Kreislauf der Rache folgte ein Vergeltungsschlag auf den nächsten … bis in alle Ewigkeit. Doch jetzt war nicht die Zeit, darüber zu philosophieren – nicht wenn gleichzeitig die Blutgeier am Himmel über ihnen versuchten, sie mit lautem Krächzen zu vertreiben, um sich endlich ungestört ihrem Festmahl widmen zu können. Also behielt Akiva seine Gedanken lieber für sich.
Die Sonne ging auf und überzog das Kornfeld unter ihnen mit einem zarten Feenschimmer. Das Meer von Halmen wogte im
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