Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)
neben mir und wollte gerade auf mein Bett fallen, als drüben Anyas Name fiel.
Ich schlich zur Tür und lauschte.
»Ich begreif noch nicht mal, wie die überhaupt in diese Schule reingekommen ist.« Josies Stimme war einfach nur gehässig. »Ihr hättet sie neulich sehen sollen, wie sie das tote Viech im Fluss gesucht hat. Die hatte nicht den leisesten Plan, wie sie’s anstellen soll.«
Arielle klinkte sich ein. »In Französisch und Latein kriegt sie auch nichts gebacken. Die könnte was Totes noch nicht mal erspüren, wenn’s vor ihr auf dem Teller liegt. Die kann kein gescheites Loch ausheben und kriegt nicht mal einen behelfsmäßigen Scheiterhaufen zustande – trotzdem ist sie Vierte auf der Rangliste. Da greift man sich doch echt an den Kopf.«
Ich durchbohrte die Tür mit zornigen Blicken, aber wenn ich ehrlich war, hatten sie ja recht. Wenn Anya nur einen Hauch von Wächtertalent hatte, war es mir bisher ebenso verborgen geblieben wie den anderen. Ich hatte auch keine Ahnung, wie sie die Nummer vier geworden war oder es in den besten Strategie-und-Prognose-Kurs hineingeschafft hatte.
Clementines Stimme erhob sich über die anderen. »Ich hab gehört, sie hat schon ein paarmal versucht, sich abzumurksen. Tja, wohl ohne Erfolg. Wie will die einen Untoten umbringen, wenn sie’s noch nicht mal bei sich selbst schafft?«
Das reichte mir. Ich trat heftig gegen die Tür und stürmte mitsamt meinem Handtuch aus meinem Zimmer.
Ich ging durch den Flur und klopfte bei Anya an. Vondrinnen hörte ich das Dröhnen von Heavy Metal. Ich klopfte noch zweimal, diesmal mit mehr Vehemenz, und schließlich ging die Tür auf.
Vor mir stand Anya in viel zu großem Herrenhemd und Shorts, ein Handtuch um den Hals. Ihr Haar stand ihr in merkwürdigen Winkeln vom Kopf ab, teils mit Alufolie umwickelt und mit einer rötlichen Paste eingeschmiert.
»Ach, hallo«, sagte sie mit einem Blick auf mich und dann auf mein Handtuch.
Ihre Ärmel waren aufgerollt und entblößten die Innenseite ihrer Arme, die mit unregelmäßigen hellen Narben übersät waren. Sie sahen aus wie Brandnarben und schienen nicht erst kürzlich entstanden zu sein. Mir waren sie vorher nie aufgefallen; Anya trug immer langärmlige Oberteile.
Sie musste mein Gestarre bemerkt haben, denn sie krempelte die Ärmel sofort hinunter.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich.
»Mir geht’s gut«, murrte sie und spähte den Flur hinunter.
»Kann ich bei dir duschen? Clementine und ihre Freundinnen haben sich in meinem Bad verbarrikadiert.«
Während Anya auf dem Bett saß und in einer Zeitschrift herumblätterte, schloss ich mich im Bad ein und drehte die Dusche auf. Im Hintergrund plärrte Anyas Stereoanlage.
Unter dem heißen Wasser dachte ich über Noahs Worte nach. Sollten Beziehungen schwer sein? Die Frage schien sich bei Dante und mir gar nicht zu stellen. Es war bedeutungslos, ob es leicht oder schwer war – ohne ihn fühlte es sich an, als wäre ein Stück von mir abgeschält. Hieß das, mir blieb keine Wahl? Das Wasser rann mir das Gesichthinunter, sammelte sich in meinen Wimpern. Was, wenn Dante mich wegen des Friedhofs angelogen hatte? Was, wenn er schon vorher dort gewesen war, wenn ich ihn in meinen Visionen gesehen hatte? Was würde ich dann tun?
Während der Raum sich langsam mit Dampf füllte, schloss ich die Augen und versuchte, die Wärme des Wassers zu spüren, doch je mehr ich mich darauf konzentrierte, desto lauer wurde es. Ich drehte die Temperatur auf, ließ es mir auf den Rücken prasseln, drehte heißer und heißer und wartete, dass irgendetwas passierte, während das Wasser zu meinen Füßen anstieg und meine Finger runzlig wurden.
Als ich wieder auftauchte, hatte Anya auf Kuschelfolk umgesattelt.
»Das hat ja ganz schön gedauert«, sagte sie, als ich mich auf dem Sofa niederließ.
Sie saß im Schneidersitz und fädelte etwas auf eine Schnur. Ihr Haar war immer noch in Folienstücke gewickelt.
»Was wird das?«, fragte ich und rubbelte meinen Kopf mit dem Handtuch ab.
»Eine Glückskette«, sagte Anya. »Für dich.«
Neben ihr rasselte eine Eieruhr, woraufhin sie sofort aufsprang. »Zeit zum Farbeauswaschen«, verkündete sie und warf mir das Kettchen in den Schoß. »Bin gleich wieder da.«
Während sie sich im Waschbecken das Haar ausspülte, musterte ich die Kette. Auf die zerfaserte Schnur waren Dutzende getrockneter Bohnen aller Art aufgezogen, von erbsen- bis nussgroß. Die meisten hatten in der Mitte einen weißen
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