Dead End: Thriller (German Edition)
der Brandverletztenstation war neben ihm zu sitzen so, als marschiere man durch kalte Winterluft nach Hause.
»Wird sie wieder gesund?«, fragte ich, nachdem ich ihm den Namen genannt hatte, der sich auf meiner Zunge noch immer merkwürdig anfühlte.
Er zuckte die Achseln. »Bryony ist einer der schwersten Fälle, die sie hier seit Längerem gehabt haben«, meinte er. »Sie hat eine Mischung aus Verbrennungen ersten, zweiten, dritten und sogar vierten Grades auf fast achtzig Prozent ihres Körpers. Neunzig Prozent sind fast immer tödlich.«
Durch die Lektüre des Wochenendes wusste ich, dass Verbrennungen ersten Grades oberflächlich waren, wie ein Sonnenbrand, dass Verbrennungen zweiten Grades die tieferen Hautschichten schädigten. Und dass Verbrennungen dritten Grades, die, von denen ich geglaubt hatte, es wären die schlimmsten, bis zum Fett- und Muskelgewebe unter der Haut reichten. »Was sind denn Verbrennungen vierten Grades?«, wollte ich wissen.
»Verbrennungen vierten Grades schädigen den Knochen«, erklärte er mir. »Ihren linken Arm konnten die Chirurgen nicht retten.«
Ich bückte mich, um meinen Kaffeebecher auf dem Boden abzusetzen, und stellte fest, dass ich mich nicht wieder aufrichten wollte. Also blieb ich dort, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, und schaute auf die Bodenfliesen. Dann berührte eine Hand leicht meine Schulter.
»Laura, in Anbetracht der Schwere der Verbrennungen geht es ihr gar nicht so schlecht.« Die Hand hob sich wieder. »Die Flammen wurden ziemlich schnell gelöscht, das heißt, dass ihre Atemwege keinen großen Schaden genommen haben. Sie sollte bald wieder allein atmen können. Die größte Herausforderung ist im Moment die Wundheilung.«
»Wird das denn heilen?«, fragte ich und entdeckte eine wunderschöne schildpattfarbene Feder auf dem Ärmel seines Pullovers.
»Die oberflächlichen Verbrennungen sollten von selbst abheilen«, erwiderte er. »Die Epidermis kann sich ziemlich gut wieder aufstocken. Für die tieferen ist ein Hauttransplantat nötig, von einer anderen Stelle des Körpers. Sind Sie sicher, dass Sie das alles hören wollen?«
Ich nickte. Merkwürdigerweise half es.
Bell trank Kaffee, als wäre der nicht brühheiß und widerlich. »Das Schwierige daran ist, weil so viel von Bryonys Haut geschädigt ist, gibt’s nicht viel, was man als Transplantat verwenden könnte«, erklärte er. »Sie haben eine Entnahmestelle hinten im Kreuz angelegt und damit die schlimmsten Verletzungen abgedeckt, die auf der linken Schulter. Bis jetzt wächst es recht gut an.«
»Das sind ja gute Nachrichten«, meinte ich.
»Stimmt. Aber jetzt müssen sie warten, bis die Haut an der Entnahmestelle nachwächst, ehe sie wieder etwas abtragen können. Das Ganze ist ein langer, schmerzhafter Prozess, doch ich fürchte, da führt kein Weg dran vorbei.«
»Auf einer kleinen Stelle an ihrem Rücken muss genug Haut für ihren ganzen Körper wachsen?«, fragte ich.
»Genau.« Bell nickte, als wäre ich eine Studentin, die gerade ein wichtiges Prinzip begriffen hatte. »In der Zwischenzeit«, fuhr er fort, »deckt die Leichenhaut ihre Verletzungen ab, verringert die Schmerzen, die entstehen würden, wenn Luft daran käme, und hilft, Flüssigkeitsverlust und Infektionen vorzubeugen. Und obwohl die Haut von einer Toten stammt, ist sie doch nicht abgestorben, das heißt, Blutgefäße aus der Wunde können in sie einwachsen. Ärzte verwenden dergleichen schon seit Tausenden von Jahren. Man nennt so was ein Allotransplantat.«
Er stellte seinen Kaffee auf den Boden und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Es war noch feucht vom Regen draußen. Ich schaute zu der geschlossenen Krankenzimmertür zurück, dorthin, wo die sedierte junge Frau lag, am Leben erhalten von der Haut einer Toten.
»Glauben Sie, sie wird uns jemals sagen können, warum?«, fragte ich.
Ich spürte mehr, als dass ich es sah, wie Nick Bell neben mir den Kopf schüttelte. »Selbst wenn sie überlebt, wird sie sich wahrscheinlich nur an sehr wenig von all dem erinnern«, sagte er. »Wir werden wohl nie erfahren, was mit ihr passiert ist.«
25
»Meg, ich dachte, er kommt gleich durchs Küchenfenster«, sagte Evi. »Dass er einfach von dem Ast springen würde, direkt durch die Fensterscheibe, und das wär’s dann.«
»Willst du dich eine Weile ausruhen?«
Die beiden Frauen hatten eine Holzbank unter einer Rosenlaube erreicht. Evi zog die Bremse ihres Rollstuhls an, und ihre Begleiterin Megan Prince,
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