Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
gewesen war - er wollte alles rascher erledigen, als es Mister Phillips gewohnt war. Phillips ist eher ein bedächtiger Typ.« Sie stockte, und mein Magen zog sich zusammen: Jetzt kam etwas Wichtiges, falls sie es nicht im letzten Moment diskret für sich behielt.
    »Fest steht, dass Mister Phillips es nicht so gern sah, wenn sich Mister Warshawski allzu intensiv mit den Frachtvereinbarungen befasste. Jeder Bezirksdirektor betrachtet die Kunden sozusagen als persönliches Eigentum. Mister Phillips schien zu befürchten, dass Mister Warshawski bei seinem Weggang einige der Stammkunden mitnehmen könnte.«
    »Sie haben sich demnach über die Verträge gestritten? Oder über die Kunden?« »Die Sache muss aber ganz unter uns bleiben. Ich bekomme sonst Ärger mit Mister Phillips.«
    Ich versprach, alles für mich zu behalten.
    »Sehen Sie, Lois - Mister Phillips' Sekretärin - wird richtig giftig, wenn sich jemand für die Verträge interessiert.« Sie blickte verstohlen über die Schulter, als könnte Lois sie gehört haben. »Das ist völlig idiotisch, denn sämtliche Vertreter müssen immer wieder Einsicht nehmen. Jeder von uns arbeitet täglich damit. Aber sie tut, als handle es sich um geheime Aufzeichnungen des FBI. Wenn man sich eine Akte holt, muss man bei ihr einen Zettel hinterlegen, auf dem steht, was man mitgenommen hat und wann man's zurückbringt.«
    Chefsekretärinnen sind nahezu allmächtig in ihrem Büro und pflegen auf diese Macht durch derlei kleine Schikanen recht nachdrücklich hinzuweisen. Ich machte eine aufmunternde Bemerkung.
    »Mister Warshawski fand solche Vorschriften ziemlich blödsinnig und setzte sich einfach darüber hinweg. Lois konnte ihn deshalb nicht ausstehen.« Sie lächelte ein wenig, sanft und amüsiert, aber ohne jede Bosheit. Champ musste ganz schön Leben in die Bude gebracht haben. Stanley-Cup-Sieger wird man eben nicht, wenn man sich zu genau an die Spielregeln hält. Lois' Pedanterie muss ihn an eine wacklige Strafbank erinnert haben. »Jedenfalls holte sich Mister Warshawski in der Woche vor seinem Tod die Verträge von mehreren Monaten - des ganzen Sommers, glaube ich - und nahm sie mit nach Hause. Wenn Lois das wüsste, käme ich ganz schön in die Bredouille. Er ist nicht mehr da, ich war seine Sekretärin, und einem muss man ja die Schuld in die Schuhe schieben.«
    »Keine Sorge - von mir erfährt niemand ein Sterbenswörtchen. Was hat er mit den Akten gemacht?«
    »Keine Ahnung. Aber ich weiß, dass er am späten Montagabend ein paar davon mit in Mister Phillips' Büro genommen hat.« »Hat es irgendwie Krach gegeben?«
    Sie zuckte hilflos die Achseln. »Ich weiß nicht. Wir waren da alle bereits im Gehen.«
    Ich kratzte mich am Kopf. Hier hatten anscheinend die Gerüchte über Champs Aktendiebstahl und seine Meinungsverschiedenheiten mit Phillips ihren Ursprung. Vielleicht hegte mein Vetter den Verdacht, dass Phillips Kunden des alten Mr Cagney in Toledo abwarb. Oder dass Phillips ihm bestimmte Informationen vorenthalten hatte. Ob ich wohl kapierte, was in einem Frachtbrief stand, falls ich einen zu Gesicht bekäme? »Könnte ich mir die Akten ansehen, die mein Vetter mit nach Hause genommen hat?«
    Sie wollte wissen, wozu. Ich betrachtete ihr freundliches, nicht mehr ganz junges Gesicht. Sie hatte ihren jugendlichen Chef gemocht. »Die Berichte über den Tod meines Vetters genügen mir nicht. Immerhin war er Leistungssportler, trotz seiner Knöchelverletzung. Er wäre niemals ins Wasser gestürzt, nur, weil er auf ein paar nassen Holzbrettern ausgerutscht ist. Wenn er aber mit Phillips über etwas Wichtiges in Streit geraten war, so hätte ihn das derart in Rage bringen können, dass er nicht mehr auf den Weg achtete. Er wurde sehr rasch wütend, aber auf Phillips konnte er ja nicht gut mit Schläger und Fäusten losgehen wie gegen die Islanders.«
    Nachdenklich schürzte sie die Lippen. »Ich glaube nicht, dass er am Morgen vor seinem Tod wütend war. Bevor er zu den Silos hinüberging, kam er nämlich hier vorbei. Ich fand, er war eher - na ja, aufgekratzt. Wie ein kleiner Junge, dem gerade ein tolles Fahrradkunststück gelungen ist.« »Ich frage mich, ob ihn nicht jemand hineingestoßen hat.«
    Sie schluckte. Wie konnte jemand einen netten jungen Mann wie Mr Warshawski umbringen wollen? Ich gestand ihr, dass ich völlig im Dunkeln tappte. Aber vielleicht konnten mir die fraglichen Akten einen Hinweis geben. Als sie hörte, dass ich Privatdetektivin war, schien sie

Weitere Kostenlose Bücher