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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Schulter. Bledsoe stand immer noch neben mir, mit glasigem Blick und grauem Gesicht. Ich wollte ihm etwas sagen, brachte aber keine Silbe heraus. Eine Explosion! Jemand hatte ein Sechzigtausend-Tonnen-Schiff in die Luft gejagt. Sechzigtausend Tonnen! Sechzigtausend Tonnen!, hämmerte es sinnlos in meinem Kopf.
    Das Deck schwankte vor mir auf und nieder. Meine Beine knickten ein, und ich brach zusammen. Für Sekunden verlor ich das Bewusstsein, doch ich blieb liegen, bis das Schwindelgefühl verging; dann zwang ich mich, aufzustehen. Bledsoe hatte sich nicht vom Fleck gerührt.
    Ich sah Kapitän Bemis aus dem Ruderhaus stolpern, gefolgt von Red, dem Rudergänger, der noch seinen Zigarrenstummel im Mund hatte. Red ging mit schweren Schritten nach Backbord und übergab sich.
    »Martin, unser Schiff. Unser Schiff. Was ist passiert?« Es war Bemis' Stimme. »Jemand hat eine Sprengladung am Schiffsrumpf angebracht, Kapitän Bemis.« Die Worte schienen von weit her zu kommen. Bemis sah mich merkwürdig an. Da wurde mir bewusst, dass ich es war, die gesprochen hatte. Er schüttelte unablässig den Kopf. »Nein, nein. Nicht an meinem Schiff. Sie muss in der Schleusenkammer gewesen sein.«
    »Unmöglich.« Ich wollte ihm widersprechen, aber mein Gehirn war völlig leer. Ich wollte nur noch schlafen. Unzusammenhängende Bilder schwebten durch die grauen Nebel hinter meiner Stirn. Fontänen, die hoch über das Schiff hinausschössen. Das Farbenspiel im Wasser, als die »Lucella« hindurchglitt. Die Wellentäler hinter den Schiffsschrauben, als wir Thunder Bay verließen. Eine nasse, dunkle Gestalt, die aus dem Wasser stieg ...
    Die Gestalt im nassen Anzug. Das hatte etwas zu bedeuten. Ich versuchte mich zu konzentrieren. Ja, diese Gestalt hatte die Sprengladung angebracht - und zwar gestern. In Thunder Bay. Ich war schon im Begriff, diese Neuigkeit zu verkünden, ließ es dann aber sein. Keiner war im Augenblick in der Verfassung, mit dieser Mitteilung etwas anfangen zu können.
    Keith Winstein kam auf uns zu. Sein Gesicht trug die Spuren von Schmutz und Tränen. »Karpansky und Bittenberg ... Sie sind beide - beide tot. Sie waren an Land mit den Tauen. Sie müssen - müssen von der Seite aus reingezogen worden sein.« Er schauderte. »Wer sonst noch?«, fragte Bemis.
    »Anna. Sie fiel über Bord und wurde zerquetscht. Sie hatte keine Chance. Vergil ist in den Frachtraum gestürzt. Mein Gott! Er ist hineingestürzt und in der Gerste erstickt.« Er lachte hysterisch, dann fing er an zu weinen. »In der Gerste ertrunken - mein Gott!«, heulte er. »Ertrunken - in Gerste ... «
    In den Kapitän kam wieder Leben. Er richtete sich auf, packte Winstein an den Schultern und schüttelte ihn. »Hören Sie, Mann! Noch tragen Sie die Verantwortung für alle anderen. Rufen Sie sie zusammen, und stellen Sie fest, wer einen Arzt braucht. Fordern Sie über Funk einen Hubschrauber von der Küstenwache an!«
    Der Erste Offizier nickte. Er schluchzte noch ein paar Mal kurz auf und wandte sich der Besatzung zu.
    »Martin braucht ebenfalls Hilfe«, sagte ich. »Könnten Sie nicht dafür sorgen, dass er sich wenigstens hinsetzt?« Bloß weg hier ... Irgendwo in meinem Kopf, das spürte ich, waren wichtige Erkenntnisse gespeichert, aber im Augenblick waren sie nicht ins Bewusstsein zu holen. Wenn ich mich nur irgendwo konzentrieren könnte! Ich lief in Richtung Ruderhaus.
    Auf dem Weg begegnete ich dem Chefingenieur. Er war über und über mit Schmutz und Öl verschmiert und sah aus wie ein Bergmann nach drei Wochen Grubenarbeit. Die blauen Augen blickten mit einem Ausdruck des Entsetzens aus dem geschwärzten Gesicht.
    »Wo ist der Kapitän?«, fragte er mit rauer Stimme.
    »An Deck. Wie steht's bei Ihnen unten?«
    »Ein Beinbruch. Gott sei Dank keine weiteren Verletzten. Aber alles steht unter Wasser. Ein Motor wurde einfach weggeblasen ... Es war eine Bombe. Unterwasser-Sprengladung. Muss direkt unter dem Decksbalken angebracht gewesen sein - durch Funksignal gezündet. Aber warum?« Ich schüttelte ratlos den Kopf. Aber dann klingelte es bei mir. Wenn die Bombe durch Fernzündung zur Explosion gebracht worden war, dann bestimmt vom Ufer aus. Vom Aussichtsturm. Der Mann mit dem leuchtend roten Haar und dem Fernglas! Howard Mattingly, Ersatz-Hockeyspieler der Hawks! Der hatte rote Haare. Champ hatte ihn vor drei Wochen an einem ungewöhnlichen Ort gesehen, und eben hatte er mit einem Fernglas auf dem Aussichtsturm gestanden!
    Ich musste ihn finden

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