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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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- und zwar sofort! Bevor er entwischte! Ich ließ Sheridan stehen und ging zum Ruderhaus, um meinen Revolver zu holen - unbewaffnet wollte ich diesem Kerl nicht begegnen.
    Meine Reisetasche war weg, musste ja weg sein. Trotzdem suchte ich ein bisschen herum. Zwei Blusen, ein Pullover, ein paar Jeans und eine Smith & Wesson für dreihundert Dollar lagen gemeinsam mit dem armen Vergil unter fünfzigtausend Tonnen Gerste begraben.
    »Ich gehe jetzt«, erklärte ich dem Kapitän. »Mir ist ein Verdacht gekommen. Lassen Sie ihm eine Tasse heißen Tee mit viel Zucker bringen. Es geht ihm nicht besonders.« Ich wies auf Bledsoe. Ohne Bemis' Erwiderung abzuwarten, drehte ich mich um und verschwand.
    Es war verhältnismäßig leicht, von der »Lucella« herunterzukommen. Sie ruhte auf dem Boden der Schleusenkammer, das Deck befand sich in gleicher Höhe mit dem Ufer, und der Abstand zwischen Bug und Schleusenrand betrug höchstens einen halben Meter. Ich hielt mich an den Trossen fest und sprang an Land. Auf dem schmalen Weg zur MacArthur-Schleuse begegneten mir die Unfallbereitschaft der Küstenwache und das Technische Hilfswerk der Armee. In ihren grünen Drillichanzügen, begleitet von Ärzten und Sanitätern, liefen sie zur Unglücksstelle. Den Abschluss bildete natürlich das Nachrichtenteam des Fernsehens. Ob ich bei der Explosion dabei gewesen sei, wollte einer wissen und hielt mir sein Mikrofon unter die Nase. Ich zuckte bedauernd die Schultern. Leider verstünde ich kein Englisch, antwortete ich auf Italienisch. Enttäuscht zog er ab.
    Der Wind war eisig, und die Kälte setzte meiner Schulter zu. Am liebsten wäre ich vor allem davongerannt, aber meine Beine hatten sich in Blei verwandelt.
    Stolpernd erreichte ich die geschlossenen Tore der MacArthur-Schleuse und Kletterte auf einen schmalen Übergang. Von hier aus waren die Felsen zu erkennen, die dicht hinter der Kanalmündung aus dem Huronsee ragten - wir konnten von Glück sagen, dass die Schleusentore standgehalten hatten. Auf der Plattform des Aussichtsturms hatte sich eine riesige Menschenmenge versammelt. Es kostete nicht nur Kraft, sondern vor allem Zeit, sich einen Weg durch die Massen zu bahnen - Mattingly war verschwunden. Ich warf einen letzten Blick auf die »Lucella«. Sie bot einen schrecklichen Anblick. Bug und Heck ragten wie Felsschroffen in die Höhe, ein paar Taue schwangen sinnlos über dem zerstörten Deck. Aus den offenen Ladeluken ergoss sich unaufhörlich ein breiter Strom nasser Gerste über die Decksruine. Ich kniff die Augen zusammen, um die Gestalten an Bord zu erkennen. Bledsoe schien endlich seinen Standort verlassen zu haben. In der Nähe des Bugs war ein Hubschrauber gelandet, der eine Kolonne von Sanitätern mit Tragbahren abgesetzt hatte.
    Die Zuschauer kamen voll auf ihre Kosten. Unglücksfälle, bei denen es Tote gibt, sind herrliche Attraktionen, solange man nicht davon betroffen ist. Ich wandte mich ab, schob mich über die Treppe ins Freie und betrat ein kleines Cafe auf der anderen Straßenseite.
    Ich bestellte eine heiße Schokolade. Wie die gesamte Schiffsbesatzung stand auch ich unter Schock. Etwas Heißes würde mir gut tun. Die Schokolade war ein jämmerliches Gesöff, aber sie war wenigstens süß, und die Wärme drang allmählich bis in meine gefühllosen Finger und Zehen. Ich trank eine zweite Tasse und aß dazu einen Hamburger mit Pommes frites. Ich presste die Plastiktasse gegen meine Stirn. Mattingly war also schon von der Bildfläche verschwunden -wahrscheinlich mit dem Auto auf dem Weg nach Chicago, falls auf dem kleinen Flugplatz von Sault Ste. Marie nicht ein Privatflugzeug auf ihn wartete. Gierig schlang ich den so genannten Hamburger, einen verbrannten Brocken, in mich hinein. Das Vernünftigste, was ich jetzt tun konnte, war, Bobby anzurufen und ihn zu bitten, nach Mattingly zu fahnden, wenn der wieder in Chicago war. Schließlich brauchte ja nicht ich ihm nachzujagen. Nachdem ich auch noch die Pommes frites aufgegessen hatte, machte ich mich auf die Suche nach einer Telefonzelle. Ich rief den Flugplatz von Sault Ste. Marie an und erfuhr, dass in zwei Stunden das Flugzeug nach Chicago abging. Ich buchte einen Platz und ließ ein Taxi kommen.
    Sault Ste. Marie ist noch kleiner als Thunder Bay. Der Flugplatz bestand lediglich aus einem Hangar und einer Baracke, beide ziemlich windschief. Am Rande des Flugfelds standen einige Privatflugzeuge. Nichts deutete auf regulären Flugverkehr hin. Kein Mensch weit und

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