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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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der Schleusenkante auf gleicher Höhe befand, wollten Bledsoe und ich an Land springen. Wir hatten etwa dreißig Sekunden Zeit - dann öffneten sich die vorderen Schleusentore ... ' Ein auf amerikanischer Seite befindlicher Aussichtsturm bietet Touristen die Möglichkeit, den Schleusenbetrieb zu beobachten. Mein Blick schweifte über die MacArthur-Schleuse und fiel zufällig auf die dahinter liegende Plattform. Nur wenige Zuschauer hatten sich eingefunden, denn es war noch sehr frisch. Ich kniff die Augen zusammen: ein Mann stand dort, mit feuerrotem Haar, das mir bekannt vorkam, wenn ich auch nicht wusste, woher. Er hob ein schweres Fernglas und richtete es auf unser Schiff. Ich zuckte die Achseln und beobachtete, wie in dem schmalen Spalt zwischen Schiffsrumpf und Schleusenwand das übel riechende Wasser davonschoss. Bledsoe berührte meinen Arm zum Zeichen, dass es so weit war, und ich ging meine Reisetasche holen.
    Ein gewaltiger Schlag warf mich zu Boden. Erschrocken sah ich mich um, rang verzweifelt nach Atem und versuchte aufzustehen. Das Deck unter mir erzitterte. Alle, die sich dort befanden, waren zu Boden gestürzt. Die Chefköchin taumelte an der Reling des schwankenden Schiffs entlang und suchte nach Halt. Als ich ihr zu Hilfe eilte, schleuderten mich neue Erschütterungen wieder zu Boden. Vor meinen entsetzten Blicken verlor sie das Gleichgewicht und fiel über Bord. Ihre Schreie gingen in einem gewaltigen Getöse unter. Unser Schiff hob sich, als schwebte es in der Luft. Hatte nicht Sheridan am Frühstückstisch gesagt, die »Fitzgerald« habe sozusagen in der Luft gehangen und sei dann in drei Teile zerbrochen? Ich begriff nicht, was da geschah, weshalb das Schiff sich hob und weshalb uns das Wasser nicht mehr trug -aber mir war entsetzlich schlecht.
    Aschgrau im Gesicht, stand Bledsoe neben mir. Ich klammerte mich an den Selbstentlader und zog mich hoch. Auf allen vieren kroch die Besatzung von der Reling weg zum Ruderhaus; das Schiff schwankte immer noch - keiner konnte dem anderen helfen.
    Zwischen Schiffsrumpf und Schleusenkammer stiegen riesige Wasserfontänen auf; die hochschießenden Wassermassen hingen wie dichte Vorhänge um das Schiff und verbargen die Küste und den Himmel. Dreißig Meter über uns schäumte das Wasser, bevor es donnernd auf das Deck herabstürzte. Betäubt starrte ich auf den Wasservorhang. Die Matrosen an den Tauen waren nicht zu erkennen. Wie konnten sie das Schiff niederzwingen, das sich jetzt mit einem Ruck aufbäumte und in seinem Betongefängnis wild hin- und herwarf?
    An den Selbstentlader geklammert, kämpfte ich mich auf die Knie. Eine Wasserwand stürzte gegen das vordere Schleusentor; Bohlen und Balken wirbelten durch die Luft und verschwanden hinter den Kaskaden zu beiden Seiten des Schiffs. Ich wollte die Augen schließen vor diesem Unheil, doch ich konnte den Blick nicht abwenden. Es war wie auf einem Marihuana-Trip: Alles geschah wie in Zeitlupe. Die Schleusenteile lösten sich langsam, ich sah jedes Stück einzeln wegbrechen, jeden winzigen Wassertropfen aufsprühen; gleichzeitig war mir bewusst, dass dies alles in rasender Geschwindigkeit vor sich ging.
    Es sah so aus, als ob wir sinken und auf den Felsen unter den Stromschnellen zerschellen würden. Da erhob sich ein lang gezogener Schrei - ein Klagelaut, ein gespenstisches Kreischen: Das Deck brach vor meinen Augen auseinander. Ein infernalischer Krach verschluckte die Stimmen der Leute, die einander zuriefen, man solle durchhalten. Plötzlich stürzten die Wasserfontänen in sich zusammen, und wir fielen zurück in die Schleusenkammer. Dann machte das Schiff einen Satz, rammte mit voller Wucht die Schleusentore und sackte auf Grund. Der Deckel einer Ladeluke sprang auf und warf einen Mann der Besatzung um. Nasse Gerste ergoss sich auf das Deck und bedeckte alles mit einer fahlgelben Schicht. An der Bruchstelle war das Deck scharf abgeknickt. Ich klammerte mich an den Selbstentlader, damit ich nicht in den Abgrund rutschte. Der zerschmetterte Riese lag still.

18
    Der lange Heimweg
    Nach dem Höllenlärm der Explosion herrschte himmlische Ruhe. Die Geräusche der Außenwelt drangen wieder an unsere Ohren. Auf der »Lucella« und an Land schrien die Leute durcheinander, aus der Ferne tönte Sirenengeheul. Alle Augenblicke brach wieder ein Teil des Decks ab und schoss hinunter zu dem Riss in der Schiffsmitte.
    Mir zitterten die Knie. Ich ließ den Selbstentlader los und massierte meine schmerzende

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