Deadlock
nett.« Ich gestand ihr auch, welche Gedanken mir auf dem Rückflug im Kopf herumgegangen waren. »Es wird mir wohl nicht erspart bleiben, mich mit den Versicherungsverhältnissen der PoleStar-Linie und ihrer finanziellen Lage zu befassen.«
»Schlaf erst mal drüber«, riet mir Lotty. »Du musst in verschiedenen Richtungen recherchieren. Morgen Früh wird dir eine vielleicht besonders viel versprechend erscheinen. Was ist mit Phillips? Schließlich gibt es zwischen ihm und Champ eine eindeutige Beziehung.«
In einen dicken Frotteemantel gewickelt, verzehrte ich anschließend in der Küche mit Lotty ein Hähnchen. Ich spürte, wie mein überdrehter Kopf langsam zur Ruhe kam. Als sie mir dann auch noch Arme und Rücken eingerieben und mir ein Medikament zur Muskelentspannung gegeben hatte, fiel ich in tiefen Schlaf. Zehn Stunden später riss mich das Telefon aus meinen Träumen. Lotty kam herein und berührte mich sanft am Arm. »Telefon für dich, meine Liebe. Eine gewisse Janet.«
Noch schlaftrunken setzte ich mich auf und nahm den Hörer ab.
Janets angenehme Stimme machte mich ein bisschen munterer. Sie war erregt.
»Miss Warshawski, Mister Phillips hat mich gefeuert. Angeblich hat man nach Mister Warshawskis Tod nicht mehr genug Arbeit für mich. Meiner Meinung nach hängt es aber mit den Akten zusammen - Sie wissen schon -«
Ich unterbrach ihren Redeschwall. »Wann ist das passiert?«
»Gestern Abend. Ich bin länger dageblieben und wollte Mister Phillips' Gehaltsabrechnung suchen. Ich hielt das für meine Pflicht, wenn es stimmt, dass Mister Warshawski umgebracht wurde. Aber dann kam Lois herein ... Sie muss Mister Phillips noch am selben Abend informiert haben, denn gegen zehn rief er mich an. Ich würde noch zwei Wochen Gehalt bekommen, das entspreche dann der Kündigungsfrist. Ich finde das nicht fair.« »Das ist es bestimmt nicht«, bestätigte ich. »Welche Ausrede haben Sie benutzt?« »Wem gegenüber?«
»Lois«, erwiderte ich geduldig. »Als sie Sie erwischte.«
»Ach so. Ich sagte, ich hätte einen persönlichen Brief getippt und könne ihn nicht mehr finden. Vielleicht sei er in den Papierkorb geraten.« Ich versicherte ihr, dass das sehr clever gewesen sei.
Sie lachte geschmeichelt, fügte aber ein wenig verzagt hinzu: »Allerdings hat sie mich gleich durchschaut, denn wie sollte sich der Brief ausgerechnet in Mister Phillips' Papierkorb verirrt haben?«
»Ja, Janet, nun weiß ich auch nicht weiter ... Sie haben auf jeden Fall alles versucht. Es tut mir aufrichtig Leid, dass Sie Ihre Stelle verloren haben, noch dazu für nichts und wieder nichts, aber wenn -«
Sie fiel mir ins Wort: »Nicht für nichts und wieder nichts. Ich habe seine Abrechnung ja gefunden!«
»Oh!« Ungläubig starrte ich den Hörer an. Einmal in diesem vertrackten Fall war etwas nach Plan gelaufen. »Was verdient er?«
»Er bekommt dreitausendfünfhundertsechsundvierzig Dollar und fünfzehn Cent alle zwei Wochen, das ergibt zweiundneunzigtausend Dollar im Jahr.« Sie machte eine nachdenkliche Pause. »Das ist eine Menge Geld. Ich hatte nur siebentausendzweihundert - und jetzt nicht einmal mehr das.«
Ich versprach, ihr bei der Stellensuche behilflich zu sein, und beendete das Gespräch. Dann legte ich mich wieder zurück in die Kissen und dachte nach. Zweiundneunzigtausend Dollar war ein schöner Batzen Geld - für mich oder für Janet. Ob er's auch für Phillips war? Angenommen, er hatte einen guten Steuerberater - dann blieben ihm trotzdem nicht mehr als sechzigtausend, grob gerechnet: Da waren die Vermögensteuer, die Hypothekenzinsen, Mitgliedsbeiträge für teure Klubs, die Ausbildungskosten für Claremont. Das Boot. Der Alfa. Teures Essen. Modellkleider für Jeannine ... Um das alles zu bezahlen, brauchte Phillips leicht hunderttausend Dollar netto. Nach dem Frühstück wollte ich in meine Wohnung. Ich ging die zwei Kilometer zu Fuß, das Einzige, was ich im Augenblick für meine Figur tun konnte. Der Briefkasten quoll über: Fünf Ausgaben des »Wall Street Journal«, einige Briefe und ein Päckchen waren auf dem Boden gestapelt. Beladen mit zwei Arm voll Post, schloss ich meine Wohnung auf. »Es geht nichts über das eigene Zuhause«, murmelte ich, während ich einen scheelen Blick auf die Staubschichten warf; im Wohnzimmer lagen Zeitschriften herum, und das Bett war nicht gemacht. Spontan überließ ich mich einem meiner äußerst seltenen hausfraulichen Anfälle: Ich saugte und wischte Staub und hängte
Weitere Kostenlose Bücher