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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Während wir uns noch abwartend gegenüberstanden, fragte eine hohe Stimme von innen, wer denn da sei.
    Karen drehte sich um. »Eine Detektivin, Mrs Grafalk. Sie sagt, sie möchte wegen Mister Phillips mit Ihnen reden.«
    Mrs Grafalk erschien in der Diele. Das leicht angegraute schwarze Haar war so frisiert, dass die hohen Wangenknochen betont wurden. Zusätzlich hatte sie dunkles Rouge aufgelegt. Sie war zum Ausgehen gekleidet: in ein lachsfarbenes Seidenkostüm mit sehr weitem Rock und einer losen rüschenverzierten Jacke. Mit einem scharfen, aber nicht unfreundlichen Blick nahm sie Karen die Karte aus der Hand.
    »Miss Warshawski? Tut mir Leid, aber ich habe nicht viel Zeit. Ich bin auf dem Weg zu einer Komiteesitzung. Weshalb wollten Sie mich sprechen?« »Wegen Clayton und Jeannine Phillips.«
    Deutliche Abneigung zeigte sich auf ihrem Gesicht. »Oh, da gibt's nicht viel zu erzählen. Clayton ist - oder vielmehr war - Geschäftspartner meines Mannes. Aus unerfindlichen Gründen musste ich sie zu uns einladen. Wir haben sie sogar in den Maritime-Club eingeführt. Ich habe versucht, Jeannine für meine Arbeit zu interessieren, insbesondere für die bedürftigen Immigrantengruppen in Waukegan, aber bedauerlicherweise hat sie nur ihre Garderobe im Kopf.« Sie sprach sehr schnell, machte kaum eine Pause zum Atemholen. »Entschuldigen Sie, Mrs Grafalk, aber Ihr Mann hat angedeutet, dass Jeannine sozusagen Ihr Schützling war, und dass Sie darauf Wert legten, sie in den Maritime Club einzuführen.«
    Sie zog die dunklen Brauen hoch und machte große Augen. »Weshalb hat Niels so etwas behauptet? Seltsam. Clayton hat ihm nämlich geschäftlich einen Gefallen getan, und Niels hat sich mit der Clubsache revanchiert. Hundertprozentig war es so. Niels spricht selten über Geschäftsangelegenheiten, deshalb weiß ich nicht, worum es gegangen ist. Mir tut's zwar Leid, dass Clayton tot ist, aber er war ein unerträglicher Streber, gesellschaftlich, meine ich, und Jeannine ist keinen Deut besser ... Ich hoffe, Ihre Fragen sind damit beantwortet.« Sie zog ihre lachsfarbenen Handschuhe an, verließ das Haus und verschwand in einem Bentley, nachdem ihr ein schlanker Mann mit rotblondem Haar die Wagentür aufgerissen hatte.
    Ich hatte gar nicht gewusst, dass man heute noch im Frühling Handschuhe trug
    Auf der Rückfahrt dachte ich über das nach, was mir Mrs Grafalk erzählt hatte. Phillips hatte ihrem Mann also einen Gefallen getan. Das konnte nur mit den Frachtrechnungen der Eudora zusammenhängen. Hatten die beiden etwa halbehalbe gemacht? Nein, das war unlogisch: Grafalk war der größte Reeder auf den Großen Seen - was sollte er mit solchem Kleingeld? Sicher, er hatte unrentable Oldtimer in seiner Flotte, für die Aufträge zu bekommen nicht mehr so einfach war. Dennoch entsprach der Rechnungsbetrag vermutlich den tatsächlichen Frachtkosten. So gesehen bestahl Phillips seine Firma gleich zwei Mal: Er strich nicht nur die Differenz zwischen der vereinbarten und der in Rechnung gestellten Summe ein, sondern er fügte der Eudora darüber hinaus Verluste zu, weil er Grafalk Aufträge zuschanzte. Der Profit für Grafalk bestand in einer höheren Zahl von Frachtaufträgen, und die hatte er bei der allgemein rückläufigen Auftragslage dringend nötig - Plötzlich wurde mir alles klar. Oder fast alles. Mir schien, die Wahrheit sei mir an jenem Tag eingehämmert worden, als ich unten am Hafen Percy MacKelvys Büro bei der Grafalk-Schifffahrtsgesellschaft betreten hatte. Ich erinnerte mich daran, wie ich Zeugin seiner Versuche geworden war, telefonisch Aufträge hereinzuholen. Und ebenso erinnerte ich mich an unsere enttäuschende Unterhaltung und Grafalks Sticheleien gegenüber Bledsoe beim Mittagessen. Wie oft hatte ich in den letzten beiden Wochen gehört, dass die größeren Schiffe wesentlich rentabler waren. Ich konnte mir sogar vorstellen, wo Clayton Phillips ermordet und wie seine Leiche unbemerkt auf die »Gertrude Ruttan« geschafft worden war. Hinter mir dröhnte die Hupe eines Siebzigtonners. Ich fuhr zusammen. Mein Wagen war auf der zweiten Spur des Kennedy Expressways fast zum Stehen gekommen. Wenn ich so weitermachte, brauchte niemand mehr einen raffinierten »Unfall« für mich zu arrangieren - ich schaffte das allein. Ich gab Gas und fuhr Richtung Stadtzentrum. Ich musste unbedingt mit dem Lloyds-Vertreter reden, und es war schon drei!
    Ich ließ meinen Wagen in der Grant-Park-Tiefgarage, genehmigte mir einen

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