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Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet

Titel: Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Kloeppel
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Gefahr wieder vorüber ist!«, dann überprüfe ich sofort, ob ich auf der richtigen Seite der Autobahn unterwegs bin. Alles andere wäre nicht nur gefährlich, sondern auch ziemlich peinlich.
    Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass man mithilfe von Verkehrsdurchsagen Deutsch lernen kann – aber ich lerne immer wieder dazu. Als ich einmal hörte: »Achtung, Gegenstände auf der A4 Richtung Aachen!«, war ich genauso ratlos wie bei den Geisterfahrern. Was könnte das nur wieder sein? Ich kannte Glühwein-, Reibekuchen- und Bratwurst-Stände. Waren Gegen-Stände genauso groß, und wie kamen dieplötzlich auf die Autobahn? Sehr rätselhaft. Abends fragte ich meinen Mann, was das denn zu bedeuten habe.
    »Oh«, meinte er, »Gegenstände sind ganz einfach Objekte.«
    »Aber warum sagen sie dann nicht Objekte, sondern benutzen so ein langes und kompliziertes Wort?«
    Darauf hatte er keine wirklich gute Antwort.
    Inzwischen werde ich aber nicht nur vor unidentifizierten Gegenständen, sondern auch vor Kühen, Kindern und verschütteter Milch gewarnt … Das Leben hier wäre nur halb so interessant ohne meine tägliche Dosis an Verkehrsdurchsagen.
    Dieses Warnsystem ist eine tolle Sache. In den sonst medial so gut versorgten USA fehlt dieser Service nahezu komplett. Zwar hören die Autofahrer Radio, aber immer zur vollen und halben Stunde aktualisierte Nachrichten und Verkehrshinweise sind die große Ausnahme. In diesem Punkt herrscht in Deutschland Ordnung. Auf die Sekunde genau kommen die Nachrichten und die Staumeldungen. In Amerika schauen die Pendler stattdessen, kurz bevor sie losfahren, ins lokale Frühstücksfernsehen. Da können sie auf einer der zahlreichen Staukameras nachsehen, ob sich an neuralgischen Punkten der Stoßverkehr schon knubbelt oder ob noch freie Fahrt herrscht.
    Kaum ein Wort höre ich in Deutschland so oft wie das Wort Stau . Man kann ihm nicht entgehen. Ich mache mir immer wieder klar: In diesem Land leben über 80 Millionen Menschen auf einer Fläche, die halb so groß wie Texas ist. Staus sind hier in Deutschland Fakt und gehören zum täglichen Leben. Außerdem dienen sie als beliebte Ausrede. Wenn man sich zu einem Termin oder auf der Arbeit verspätet und einem nichts Besseres einfällt, kann man immer sagen: »Ich stand im Stau.« Diese uralte Ausrede erfreut sich großer Beliebtheit. Ärgerlich ist nur, wenn man wirklich im Stau stand und einem das keiner glaubt.
    Nach fünfzehn Jahren in Deutschland habe ich das Gefühl, mich mit der hiesigen Straßenverkehrs-Kultur ganz gut auszukennen. Bis zum heutigen Tage schleierhaft ist für mich aber die deutsche Obsession in Sachen Winter- und Sommerreifen. Natürlich jaulen jetzt alle Reifenhändler auf, aber mal ganz ehrlich: In Minnesota, wo es genauso viel schneit, wie es in Deutschland regnet, haben nicht alle Leute Winterreifen. Was machen die Autofahrer stattdessen? Sie kaufen einen Satz Allwetterreifen, und damit hat es sich. Alle Werbeslogans, mit denen man in Deutschland bombardiert wird, um ja zu jeder Jahreszeit die richtigen Reifen aufzuziehen, wären überflüssig, wenn man sich zu diesem simplen Schritt durchringen würde. Das dachte ich jedenfalls, aber mein Mann sah das anders.
    »Honey, ich möchte Allwetterreifen haben! Die bin ich von früher gewohnt.«
    »Nein, hier hat man im Sommer Sommerreifen und im Winter Winterreifen. Je nach Saison wird ein Satz Reifen eingelagert. Das ist doch kein Problem.«
    »Aber warum kann ich nicht einfach auf Ganzjahresreifen wechseln? Das ist doch viel unkomplizierter.«
    »Aber das ist hier nicht üblich. In Deutschland gibt es entweder Sommer- oder Winterreifen.«
    »Aha, ich verstehe.« In Wirklichkeit verstand ich es nicht.
    Jahre später stellte ich einem Verkäufer in meinem Autohaus dieselbe Frage. Er ging mit mir in sein Reifenlager, zeigte mir die tiefen Furchen auf seinen Winterreifen und erklärte mir detailliert, wie viel besser der Grip auf Schnee mit diesen Reifen sei.
    »Aber hier schneit es doch so gut wie nie«, wandte ich ein.
    »Stimmt, aber wenn, dann sind Winterreifen einfach unschlagbar«, meinte er.
    »Aber ich bin in Amerika durch viele Schneestürme mit meinen Allwetterreifen gefahren und hatte nie ein Problem«, versuchte ich es noch einmal.
    »Nein, hier funktioniert das nicht, hier brauchen Sie richtige Winterreifen.«
    Ich gab auf.
    Im November des folgenden Jahres wollte ich einen Termin für einen Reifenwechsel machen. Ein sauber gekleideter Monteur begleitete

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