Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
kam von der anderen Seite des Zauns. Daher spähte ich heimlich in den Nachbargarten hinüber. Und was sah ich? Den wahrscheinlich harmlosesten Anblick, den man sich vorstellen kann: ein kleines Kind, das auf einem roten Plastikauto saß. Der Nachbarsjunge rollte mit wachsender Begeisterung immer wieder den asphaltierten Gartenweg hinunter und wurde dabei jedes Mal schneller. Das hörte sich an wie ein Flugzeug beim Start und war ein ohrenbetäubendes Getöse.
Ich habe nichts gegen spielende Kinder, aber dieser Lärm ist einfach nicht normal. Wenn man seinem Kind schon Plastikspielzeug kauft, sollte man wenigstens darauf achten, dass es weder beim Kind noch bei den Nachbarn Gehörschäden verursacht, dachte ich mir an diesem Tag.
Aber was geschah? Ein Jahr später kaufte ich selbst ein Bobbycar für Geena. Allerdings nicht die klassische Variante in Rot. Nein, meine Kleine bekam einen lila Porsche Baby-Boxster S. Ich kam mir beim Kauf dieses Spielzeugs zwar wie eine Scheinheilige vor, aber ich wollte meinem Kind nicht vorenthalten, was alle anderen besaßen. Daher wich ich auf ein Sondermodell aus, um mich von den anderen Eltern abzugrenzen. Ich wollte die Tatsache verschleiern, dass ich einem Kollektivzwang erlegen war.
Glücklicherweise zeigte Geena überhaupt kein Interesse an ihrem Bobbycar. Es stand verlassen draußen herum und gammelte vor sich hin, bis ich es schließlich verschenkte.
In amerikanischen Kinderzimmern gibt es überwiegend buntes Plastikspielzeug mit lauter Knöpfen und Hebeln, die wunderbare Geräusche machen. Man kann das natürlich als Plastikkram abtun, aber die Kinder lieben so etwas.
Als meine Tochter einmal krank war, kaufte ich ihr ein besonders kitschiges Spielzeug, um sie aufzuheitern: eine Winnie-Puuh-Spieluhr. Wenn man sie anschaltete, begann sich der Teller zu drehen, und der etwas korpulente Bär schnellte mit seinen Gefährten Tigger, I-Ah und Ferkel zur Titelmelodie von Winnie Puuh aus kleinen gelben und roten Teetassen hervor. Dieses Plastikding stieß bei meinem kleinen Puuh-Fan auf große Begeisterung, und im Nu besserte sich Geenas Laune. Sie schien der Spieluhr niemals überdrüssig zu werden.
Dann kam das Wochenende, als mein Schwiegervater uns besuchte. Seine Höflichkeit hält ihn davon ab, andere zu kritisieren, und er versucht, seine Gedanken lieber hinter einer Pokermiene zu verbergen. Dennoch konnte ich in seinem Gesicht ablesen, dass er seine eigene Meinung zu diesemSpielzeug hatte. Wahrscheinlich war es ihm viel zu bunt, viel zu laut und viel zu kitschig. Aber Geena war begeistert, und ich ebenfalls.
Allerdings werden alle kleinen Erdenbürger mit der Zeit größer. Irgendwann landete Winnie Puuh in einer Schachtel auf dem Speicher, und es begann die Kindergartenzeit.
Ich machte die Erfahrung, dass Eltern in Deutschland nicht früh genug damit beginnen können, sich um einen Kindergartenplatz zu bemühen. Ich kenne einige Mütter und Väter, die ihr Kind bereits direkt nach der Geburt auf die Warteliste setzen ließen, damit es drei Jahre später einen sicheren Platz im Kindergarten hatte. Peter und ich hatten das Glück, sofort einen Kindergartenplatz für Geena zu bekommen, als sie das entsprechende Alter erreicht hatte. Die erste Hürde war geschafft. Auch der Kindergarten selbst erwies sich als Glücksfall, da die Erzieherinnen liebevoll mit den Kindern umgingen und unsere Tochter nun die Möglichkeit hatte, ihre Vatersprache Deutsch weiterzuentwickeln. Zudem fand Geena dort einige Spielkameraden.
Überrascht hat mich, dass im Kindergarten weder das Alphabet noch die Zahlen gelehrt werden. In den USA gehört das ab dem fünften Lebensjahr schon fest ins Programm jedes Kindergartens. Stattdessen spielen, basteln, singen und malen die deutschen Kinder, bis sie sechs Jahre alt sind.
Amüsiert verfolge ich seit einiger Zeit in den Medien, dass immer mehr deutsche Politiker und Bildungsfachleute allmählich erkennen, dass nichts dagegenspricht, den Kleinen bereits im Kindergarten etwas beizubringen, zum Beispiel das Alphabet oder Zahlen von eins bis zehn. Allen Eltern ist bekannt, wie wissbegierig Kinder bereits im frühen Alter sind. Und die meisten Fünfjährigen schlagen locker jeden Erwachsenen im Memory.
Nach den sehr behüteten Kindergartenjahren in Deutschland, mit Kuschelecke, Sandkasten und Bastelsachen, musste dann der Schritt in ein recht strenges Schulsystem getan werden. Wie sollte es nun weitergehen? Um diese Frage zu klären, setzten Peter
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