Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
und ich uns intensiver mit dem Thema Schule auseinander. Schließlich wollten wir die passende Einrichtung für unsere zweisprachige Tochter finden.
Die teilweise sehr durchschnittlichen Bewertungen der deutschen Schulen in internationalen Vergleichsstudien machten uns ein wenig Sorgen. Also versuchte ich, in unserem Bekanntenkreis Antworten auf die vielen offenen Fragen zu finden: Waren die Eltern mit der schulischen Erziehung ihrer Kinder im Großen und Ganzen zufrieden? Und, wichtiger noch, waren die Kinder selbst damit zufrieden? Wurde ihnen der Lernstoff auf kreative und konstruktive Weise vermittelt? Machte das Lernen Spaß?
Da ich selbst das Glück hatte, eine tadellose und gut organisierte Schulbildung zu genießen, waren meine Erwartungen hoch. Ich gebe zu, dass nicht alle Schulen in Amerika so empfehlenswert sind wie jene, die ich besucht habe, aber wenigstens gibt es dort einheitliche Schulzeiten, und der Unterricht endet stets um halb drei oder eine Stunde später.
Wenn es etwas gibt, das ich an Deutschland partout nicht begreife, sind das die ständig wechselnden Unterrichtszeiten. Oder womöglich auch das gesamte Schulsystem. Das ist nämlich unheimlich kompliziert und schwer zu durchschauen, wenn man nicht damit aufgewachsen ist.
Die erste Überraschung für mich war, dass Kinder in Deutschland erst mit sechs, oder, wenn die Eltern das so wünschen, sogar mit sieben Jahren eingeschult werden.
In den USA fangen die Kinder normalerweise alle mit fünf Jahren an. Sie starten mit einer Art Vorschule, dem kindergarten , der aber nicht mit seinem deutschen Namensvetter vergleichbar ist. Die amerikanischen Kindergärten sind ein Teil des Grundschulsystems, und die Kinder lernen dort buchstabieren und zählen. Der Job der Lehrerin ist es, alle ihre Schützlinge spielerisch zu fördern, bis sie mehr oder weniger dasselbe Niveau erreicht haben.
Bei vielen deutschen Familien habe ich dagegen miterlebt, wie schwer der Übergang vom Kindergarten in die erste Klasse für manche Kinder sein kann. Unvermittelt sind sie gefordert, innerhalb kurzer Zeit eine kompakte Menge Stoff zu lernen. Das bedeutet eine gravierende Umstellung zu den vorangegangenen Jahren.
Irgendwann las ich sogar einen Aushang, der für einen Elternkurs warb, um den Erstklässlern diese Umgewöhnungsphase zu erleichtern. Das muss man sich mal vorstellen – ein Seminar für Eltern anlässlich der Einschulung ihres Kindes! So etwas hatte ich noch nie gehört.
Nachdem ich zusätzlich von der Vorschuluntersuchung erfahren hatte, war ich etwas nervös. Viele Mütter und Väter machten sich Sorgen wegen dieser Einschulungsuntersuchung. Immer wieder gab es nämlich Fälle, in denen keine ausreichende Schulreife attestiert wurde. Das passierte beispielsweise, wenn die Kinder nur mangelnde motorische Fähigkeiten hatten, bei den Zuordnungsaufgaben versagten oder Papierformen nicht sauber genug ausschnitten. Es war erstaunlich, wie sehr manche Eltern sich vor den Ergebnissen dieses Tests fürchteten.
Das hat mich wirklich beeindruckt. Bei uns in Minnesota kamen wir Kinder einfach alle mit fünf Jahren in die Schule. Wahrscheinlich mussten unsere Eltern einen Impfpass vorlegen, aber das war nichts, wovor man Angst haben musste. Ich dagegen hatte immer mehr das Gefühl, dass ich es als Mutter im deutschen System schwer haben würde.
Hat ein Kind den Einschulungstest erfolgreich hinter sich gebracht, kommen auf die Familie die kuriosen Unterrichtszeiten zu. Mal geht ein Unterrichtstag von acht Uhr bis um Viertel vor zehn, der nächste beginnt um Viertel vor neun und endet um halb elf, und der übernächste dauert von Viertel vor zehn bis Viertel nach zwölf. Meine Bedenken wurden noch größer, als ich hörte, dass Kinder bisweilen ein Schreiben von der Schule mit nach Hause bringen, in dem steht: »Liebe Eltern, Ihr Kind hat für den Rest der Woche unterrichtsfrei, da der Klassenlehrer erkrankt ist. Mit freundlichen Grüßen, der Rektor.«
Ein befreundetes Ehepaar erzählte mir, sie fürchteten sich davor, dass ihr Kind in der Klasse einer bestimmten Lehrerin landete, die unter Asthma litt und jedes Jahr mehrere Wochen ausfiel. Die Kinder in dieser Klasse hinkten im Vergleich zu ihren Mitschülern den anderen automatisch hinterher. Auf meine Frage an die Freunde, warum es keinen Vertretungspool gibt, sagten sie mir: »Weil dafür kein Geld da ist. Das können sich die Schulen nicht leisten.«
Als Außenstehende finde ich es geradezu
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