Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
Zigarette anzuzünden. Es gilt nicht nur ein gesetzliches Rauchverbot für viele Orte, es ist auch geradezu verpönt, in der Öffentlichkeit zu rauchen.
Bereits ab der ersten Klasse gibt es Aufklärungsunterricht, um Kinder vor den Gefahren des Rauchens zu warnen. Ich kann mich erinnern, dass mir schon in der Grundschule Röntgenbilder von hässlichen schwarzen Raucherlungen gezeigt wurden sowie Aufnahmen von gesunden rosafarbenen Nichtraucherlungen. Wir mussten uns auch Bilder von Rauchern ansehen, die an fortgeschrittenem Mund- oder Lippenkrebs litten. Nichts blieb unversucht, um uns vom Rauchen abzuhalten. Mein Mann hat mir gesagt, dass er diesen Aufklärungsunterricht auch aus seiner eigenen Schulzeit kennt. Und das ist etwas, was ich nicht verstehe: Wie kann es sein, dasszwei Länder, die ihren Kindern dasselbe beibringen, zu solch gegensätzlichen Ergebnissen kommen?
In den USA wird das Rauchen verteufelt, und die Nichtraucher besitzen viele Rechte, um sich vor den Folgen des Passivrauchens zu schützen. Als Nichtraucher ist man der King. Als ich von Amerika nach Deutschland kam, erlebte ich das Gegenteil: Hier durfte man vor fünfzehn Jahren fast überall qualmen, so viel man wollte, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen und ohne sich daran zu stören, dass sich andere von dem Rauch belästigt fühlen könnten. Darüber wurde lange nicht einmal diskutiert.
Nach meiner Ankunft in Deutschland Anfang der Neunzigerjahre, musste ich mich also erst daran gewöhnen, dass um mich herum ständig geraucht wurde: im Restaurant, in der Redaktion, im Flugzeug, in Diskotheken ohne Frischluftzufuhr, im Zoo in Gegenwart von Kindern, in der Schlange im Vergnügungspark, im Friseursalon – die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. Meine sprachlichen Herausforderungen waren ein Klacks gegen den Lernprozess, mich mit der permanenten Benebelung abfinden zu müssen. Manchmal hatte ich das Gefühl, in einer großen blauen Rauchwolke zu schweben und befürchtete, nie wieder richtig durchatmen zu können.
Am schlimmsten war es zu Beginn meines Jobs in der Redaktion. Ich war rundherum zufrieden mit meiner Arbeit, aber neben mir saß eine Kollegin, die bei der Arbeit rauchte. Das war ein Schock für mich. Ich konnte mir nur helfen, indem ich jedes Mal, wenn sie sich eine Zigarette anzündete, das Fenster öffnete.
Doch das war der rauchenden Kollegin nicht recht: »Könntest du das Fenster bitte wieder schließen? Ich sitze im Durchzug und will nicht krank werden.«
»Aber ich brauche frische Luft, ich kann bei dem Qualm nicht richtig atmen«, hätte ich am liebsten erwidert, verkniffes mir jedoch, denn ich wollte mich nicht gleich am Anfang unbeliebt machen.
Ich war entschlossen, freundlich zu bleiben und mich anzupassen.
In Amerika müssen sich Raucher in den Arbeitspausen an die frische Luft verziehen, wenn sie eine qualmen wollen, und das selbst bei zweistelligen Minustemperaturen. Schließlich ist Lungenkrebs weitaus gefährlicher als eine Erkältung.
Auch in Restaurants musste ich mich gegen Raucher zur Wehr setzen. Vor ungefähr zehn Jahren hatten mein Mann und ich zusammen mit meiner Mutter eine Begegnung mit äußerst rücksichtslosen Rauchern. Meine Mutter war damals zu Besuch bei uns in Köln, und eines Abends wollten wir zusammen essen gehen. Wir gingen in ein Lokal in unserem Viertel, das sehr gemütlich war und eine hervorragende Küche besaß. Wie die meisten Restaurants in der Kölner Innenstadt war es klein und sehr eng.
Unsere Tischnachbarn an jenem Abend rauchten nonstop Zigaretten und Zigarillos. Der Qualm schlug uns allen dreien auf den Magen, und das bereits vor dem Hauptgericht. Also öffneten wir ein Fenster, um frische Luft hereinzulassen. Prompt stand einer der Raucher vom Nebentisch auf und machte es wieder zu. Wir öffneten es daraufhin erneut und erklärten den Leuten, dass wir nur kurz lüften wollen, damit sich der Rauch verzieht. Doch der Mann stand abermals auf und knallte das Fenster zu. Es war der Beginn eines Fensterkriegs.
Er schnauzte uns an: »Es ist viel zu kalt, um das Fenster aufzureißen. Wir frieren.«
»Hören Sie, meine Mutter aus Amerika ist gerade zu Besuch hier, und wir möchten einfach einen schönen Abend mit ihr verbringen. Sie verträgt den Zigarettenrauch sehr schlecht, ihr wird davon schnell übel. Wir möchten doch nur ein bisschen frische Luft reinlassen«, bat ich ihn freundlich.
Darauf antwortete der Mann in gehässigem Ton: »Dann gehen Sie doch mit
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