Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
Ihrer Mutter zurück nach Amerika. Wir brauchen Sie hier nicht.«
Wir standen auf und gingen. Ich war nur froh, dass meine Mutter kein Wort verstanden hatte.
Es war genau dieses rücksichtslose Verhalten, das mir in Deutschland manchmal Probleme bereitete. Es gab zwar schon immer rücksichtsvolle Raucher mit guten Manieren, aber leider war man nicht vor denen gefeit, die zu jeder Zeit und an jedem Ort ihrer Sucht frönten.
Glücklicherweise gibt es inzwischen in immer mehr Restaurants Nichtraucherzonen. Zwar werden diese oft auf freiwilliger Basis eingerichtet, weil der Nichtraucherschutz nicht in allen Bundesländern einheitlich gesetzlich geregelt ist. Aber wenigstens sehen einen die Kellner nicht mehr an, als komme man von einem anderen Planeten, wenn man nach einem Nichtrauchertisch fragt.
Früher musste ein Nichtraucher in einer Gaststätte danach suchen, wo es eine Belüftung, ein Fenster oder eine offene Tür gab. Das war die einzige Möglichkeit, sich vor dem Passivrauchen zu schützen. Aus diesem Grund wurden Peter und ich zu Experten in Sachen Restaurantarchitektur, immer auf der Suche nach der bestmöglichen Luft. Hohe Decken und große Fenster sind dabei eine gute Grundvoraussetzung.
Trotzdem ließ es sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht vermeiden, dass wir einmal in einem Restaurant ohne jegliche Belüftung landeten. Mir wurde von der verqualmten Luft so schlecht, dass ich während des Essens aufstehen und gehen musste, um den anderen Gästen nicht den Appetit zu verderben. Leider blieb uns nicht erspart, die saftige Rechnung in dem Feinschmeckerlokal zu begleichen, obwohl wir es nur bis zur Vorspeise geschafft hatten.
Ich dachte immer, ich wäre die Einzige mit diesem Problem, bis ich in meinem Bekanntenkreis auf einige Leidensgenossen traf – und das waren nicht nur Amerikaner. Ich stellte außerdem fest, dass sich deutsche Nichtraucher viel seltener über Raucher beklagen als ausländische. Entweder stört es sie nicht, oder es ist unverfänglicher, sich über das Wetter zu beschweren.
Interessanterweise gibt es aber dennoch einige Deutsche, die die Nase voll haben. Zum Beispiel hängt in einem benachbarten Tennisclub seit Kurzem ein Schild, auf dem eine Zigarette in einem durchgestrichenen roten Kreis abgebildet ist; darunter steht: »Danke für Ihr Verständnis«. Das heißt, dass es zwar nicht gesetzlich verboten ist zu rauchen, aber dennoch ausdrücklich begrüßt wird, wenn darauf verzichtet wird. Eine gute Methode, um auf die Nichtraucher Rücksicht zu nehmen, ohne dabei die Raucher vor den Kopf zu stoßen. Wenigstens sollte man das meinen.
Leider scheinen Raucher dieses kleine Schild nur sehr selektiv wahrzunehmen. Manche richten sich danach, andere fragen: »Ist das nun ein gesetzliches Rauchverbot?« Wenn die Frage verneint wird, stecken sie sich ihren Glimmstängel an. Allerdings wundere ich mich sowieso immer, wie sich Tennisspieler nach einem harten Match guten Gewissens ein Bier und eine Zigarette gönnen können … War da nicht mal was mit gesundheitsfördernden Aspekten sportlicher Betätigung? Und dann Nikotin und Alkohol? Wie wäre es stattdessen mit Apfelschorle und Salzstangen?
Sehr verwundert war ich auch darüber, dass das Rauchen in deutschen Schulen nicht ausnahmslos verboten ist. Laut einer Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg, das eng mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammenarbeitet, gehört Deutschland zu den wenigen Ländern der sogenannten WHO-Europa-Region, in denen nur begrenzte oder gar keine Regeln zum Nichtraucherschutz in Schulen gelten. Selbst Andorra, Kasachstan, Tadschikistan, Rumänien und Zypern sind da fortschrittlicher als Deutschland. Dreiundvierzig Nationen haben demnach rauchfreie Schulen. Die übrigen neun Länder – nämlich Deutschland, Armenien, Dänemark, Georgien, Albanien, Schweiz, Kirgistan, Großbritannien und Usbekistan – hatten zum Zeitpunkt der Erhebung im Jahr 2005 entweder nur begrenzte oder gar keine Maßnahmen zum Nichtraucherschutz in Schulen eingeführt.
Was Deutschland betraf, gab es am Stichtag insgesamt zehn Bundesländer, in denen das Rauchverbot an Schulen umgesetzt worden oder geplant war, während die übrigen sechs weiterhin Raucherecken an Schulen duldeten. Offenbar herrschte dort die Annahme, dass der Nichtraucherschutz durch die gesetzliche Altersgrenze von sechzehn Jahren, die mittlerweile glücklicherweise auf achtzehn Jahre angehoben wurde, zur Genüge erfüllt
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