Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
wissen, was er über die Männer seines Alters in Strumpfhosen gesagt hätte …
Am 11. 11. fällt außerdem der Startschuss für die vielen Prunksitzungen in der Karnevalszeit. Die kann man sich im Saal live anschauen oder aber vor dem Fernseher verfolgen. Mein Mann wurde in einer Session einmal vom örtlichen Karnevalsverein zum Ehrenmitglied ernannt. In dieser Funktion sollte er bei der Damensitzung eine kleine Rede auf der Bühne halten.
Ich hatte im Bekanntenkreis mitbekommen, dass über die Kostüme für diesen Anlass gesprochen wurde. Einige Frauen wollten sich als Bienen verkleiden; es kommt oft vor, dass manim Karneval als einheitlich kostümierte Gruppen auftritt. Mein Mann, der zwar grundsätzlich humorvoll ist, mit Karneval aber nicht viel am Hut hat, plante allerdings, wie immer in Anzug und Krawatte zu gehen. Ich sagte zu ihm, er könne sich nicht unkostümiert auf die Bühne stellen, denn das wäre in diesem Fall nicht angemessen. Es gelang mir und meiner Tochter, ihn tatsächlich zu überreden, sich nach einem Kostüm umzusehen, und schließlich kaufte er sich ein schwarz-weiß geflecktes Kuhkostüm mit einer gehörnten Kopfbedeckung. Er sah darin so albern aus, dass ich mir schon fast Vorwürfe machte, wie ich ihm hatte einreden können, sich zu verkleiden.
Weil die Karnevalisten ein sehr geselliges Völkchen sind, war ich als Frau des zu ehrenden Ehrenmitglieds ebenfalls zu der Prunksitzung eingeladen und durfte mit am Honoratioren-Tisch sitzen. Diese Gelegenheit, unmittelbar in die deutsche Karnevalstradition einzutauchen, konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Also besorgte ich mir ein Cowgirlkostüm, passend zu meinem Mann, der Kuh.
Während Peter sich auf seinen Auftritt vorbereitete, betrat ich gegen 15 Uhr alleine den verqualmten Festsaal und such-te meinen Platz. Es dauerte eine Weile, bis ich ihn gefun-den hatte, da niemand auf das hoffnungslos desorientierte Cowgirl gewartet hatte.
An meinem Tisch saßen überwiegend Frauen, die nach meiner Einschätzung Karnevalsprofis mit langjähriger Erfahrung waren. Bei diesen Profis angekommen, rätselte ich, wie ich ein Getränk bekommen konnte. Ich hatte einen Schluck bitter nötig. Auch wenn ich normalerweise nachmittags keinen Alkohol trinke, an diesem Sonntag musste es sein. Durch Beobachten fand ich nach einiger Zeit heraus, dass die anderen Damen bei einer bestimmten Kellnerin, die sich allerdings nur sehr selten blicken ließ, direkt für die ganze Runde bestellten. Da ich aber nicht wirklich zu dieser eingeschworenen Runde gehörte, saß ich erst mal lange Zeit auf dem Trockenen. Irgendwann gelang es mir dann doch, die Kellnerin auf mich aufmerksam zu machen. Als ich wegen der immer schlechter werdenden Luft und einem aufziehenden Kratzen im Hals dann doch nur ein Wasser bestellte, warf sie mir einen Blick zu, als wären wir bei einem Galadiner und ich hätte einen Hamburger bestellt.
Kurze Zeit später begann das Bühnenprogramm mit Tanz, Musik, Gesang und Büttenreden. Da Letztere in breitem Kölsch vorgetragen wurden, verstand ich so gut wie nichts. Um keine Spielverderberin zu sein, lachte ich immer dann, wenn auch die anderen lachten. Und gelacht wurde viel. Standen sie auf und begannen zu schunkeln, schunkelte ich mit. Riefen sie »Alaaf«, was ein bisschen wie das englische Wort alive klingt, brüllte auch ich mir die Seele aus dem Leib. Ich tat also, was ich als guter Gast tun musste, und kam mir dabei wie eine Außerirdische vor, die gerade in friedlicher Mission auf dem sehr belebten Planeten Karneval gelandet war.
So vergingen die ersten drei Stunden, und ich wartete sehnsüchtig auf Peters Auftritt, um anschließend verschwinden zu können. Als mein gehörnter Ehemann schließlich geehrt werden sollte, hakten ihn einige junge Damen unter und führten ihn erst quer durch den Saal und dann auf die Bühne.
Er schien sich prächtig zu amüsieren und bekam einen massiven Orden umgehängt. Dafür bedankte er sich mit einer Büttenrede auf Hessisch – schließlich ist er in Frankfurt geboren. Auch von seiner Rede verstand ich so gut wie nichts. Mir fiel aber auf, dass er häufiger Worte benutzte, die ich von ihm noch nicht kannte, wie zum Beispiel isch , wollemer , hammernet , eigudewie und escht supper . Trotz der ungewohnten Töne hatten die versammelten Damen einen Mordsspaß, vor allem weil mein lieber Mann in seinem Kostüm mit dem Orden um den Hals aussah wie die Kuh Betty nach der Prämierung auf der
Weitere Kostenlose Bücher