Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
wegen der Vergewaltigung verhaftet. Wir haben konkrete Beweise gegen ihn. Lilah war stinkwütend auf uns und hat geschworen, er wär es nicht gewesen. Dann hab ich angedeutet, daß das Beweismaterial ziemlich eindeutig wäre, es sein denn, man ginge davon aus, daß sie in dieser Nacht freiwillig mit Totes geschlafen hätte. Da ist sie ausgerastet. Ihre Reaktion stand in keinem Verhältnis zum Anlaß, deshalb hab ich sofort gedacht, daß sie irgendwie eine Affäre haben müssen. Ich weiß ehrlich gesagt langsam nicht mehr, was ich glauben soll.«
Rina schauderte. »Zu viele Morde. Sei bitte vorsichtig, Peter.«
Decker beugte sich zu ihr und küßte sie auf die Wange. »Ich bin immer vorsichtig. Und jetzt ganz besonders – wo so viele Leute von mir abhängig sind.«
»Wo so viele Leute dich lieben, Peter.«
Decker betrachtete das schöne Gesicht seiner Frau, dann nahm er ihre Hände und küßte sie. Seine Frau. Sie hatte ihn tatsächlich geheiratet! Wie hatte er das nur geschafft?
Die Nummer, unter der man den Verlust oder Diebstahl von Kreditkarten melden konnte, war jetzt am Abend nicht mehr besetzt. Ness knallte den Hörer auf, dann ermahnte er sich, tief durchzuatmen. Er saß mitten auf seinem Bett und rutschte so lange hin und her, bis er die perfekte Lotusposition gefunden hatte. Korrekte Haltung, aber falsche Einstellung – eine verfluchte Spirale. Der Körper konnte sich nicht entspannen, wenn der Geist keinen Frieden fand, und wie sollte man einen klaren Kopf bekommen, wenn der Körper angespannt wie ein Drahtseil war? Er spürte, wie sanfte warme Hände ihm den Nacken massierten. Unter den Händen seiner Schwester erlaubte er sich den Luxus, sich zu entspannen.
»Tu mir bitte einen Gefallen, Kell. Guck doch mal die Nummer nach, unter der man vierundzwanzig Stunden lang verlorene oder gestohlene Kreditkarten melden kann.«
»Bei welcher Bank bist du?«
»Security International.« Ness schlug sich mit einer Faust gegen den Kopf. »Ich kann es nicht fassen … irgendwie … das macht mich völlig fertig. So was kann nur mir passieren.«
»Hier ist die Nummer.«
Ness schrieb sie auf einen Zettel und wählte. Besetzt. Vorsichtig legte er den Hörer wieder auf die Gabel. »Funktioniert bei mir denn überhaupt nichts?«
»Michael, wo könntest du sie denn vergessen haben?«
»Ich weiß noch nicht mal, ob ich sie irgendwo vergessen hab. Genauso gut könnte sie mir jemand geklaut haben. Ich glaub, irgendwer versucht mich fertigzumachen.«
»Uns fällt schon was ein. Mir fällt schon was ein.«
Er schüttelte ihre Hände ab und klopfte auf die Matratze. »Setz dich.«
Kelley zögerte, dann setzte sie sich neben ihn. »Wenn ich dich bloß nicht gedrängt hätte, hierher zu kommen …«
»Hör auf, dich selbst zu kasteien, Kell. Du kennst doch Davida. Wenn die irgendwas will, kann sie keiner aufhalten. Eigentlich sollte ich das als Kompliment auffassen. Reiche alte Frauen wie sie können sich jeden Sexprotz leisten, aber sie wollte mich!« Ness zuckte die Achseln. »Eigentlich war es ja auch gar nicht so schlimm. Regelmäßig Geld. Regelmäßig Sex – das ist doch was. Besser, als sich von betrunkenen Seeleuten einen blasen zu lassen …«
»Ach, Michael!«
»Oder vollgedröhnten Nutten.«
»Mike, laß dir doch bitte von mir helfen!«
Ness küßte seine Schwester auf die Wange. »Du hältst dich aus dem Schlamassel heraus. Wenn sich einer von uns die Finger verbrennt, dann ich.«
Sie schlang ihrem Bruder die Arme um den Hals. »Mike, kannst du den Bullen denn nicht einfach die Wahrheit sagen? Daß du nichts mit dieser ganzen Sache zu tun …«
»Das stimmt leider nicht so ganz.«
»Du hattest nichts mit dem Mord zu tun.« Sie hielt inne. »Oder mit der Vergewaltigung von Lilah, das stimmt doch?«
Ness fuhr herum. Ihm lief es eisig den Rücken hinunter. »Du mußt überzeugender klingen, wenn du meine Unschuld beteuerst.«
Kelleys Stimme wurde zu einem Flüstern. »Ich glaube dir, Mike. Ich hab dir immer geglaubt – und an dich geglaubt, oder etwa nicht? Im Gegensatz zu anderen. Gab es auch nur einen einzigen Punkt in unserem Leben, wo ich nicht an dich geglaubt habe?«
Ness blickte in die Augen seiner Schwester und sah dort all den Schmerz, den er ihr bereitet hatte – und schämte sich dafür. Er streckte die Arme aus, sie kam zu ihm und ließ sich in seine schützende Umarmung sinken.
»Es tut mir leid …«
»Hör auf …«
»Nein, laß es mich sagen, Kell.« Ness räusperte sich.
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