Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
schon.«
»Okay. Aber haben Sie keine Hemmungen, eine Pause zu machen, wenn es nötig ist. Was passierte, nachdem sie aufgehört hatten, Sie zu schlagen?«
»Einer hat mich vergewaltigt … der andere …« Sie tupfte sich die Augen mit einem Kleenex. »Er muß zum Safe gegangen sein.«
»Ja.«
»Einer der beiden hat Sie vergewaltigt, während der andere zum Safe ging.«
»Ja.«
»Können Sie sich erinnern, was passierte, als der Mann aus dem Schrank mit dem Safe kam?«
»Ich glaube … sie haben wohl noch mehr Sachen kaputt geschlagen …« Sie sah ihn eindringlich an. »Er hat doch im Safe gefunden, was er wollte. Warum mußte er dann noch mein Zimmer verwüsten?«
»Könnte er noch etwas anderes gesucht haben?«
»Auf keinen Fall.«
»Da sind Sie sich ganz sicher?«
»Ja.«
»Er hat also im Safe gefunden, was er wollte.«
»Ja.«
»Was wollte er denn, Lilah?«
»Ich wünschte, alle Ihre Fragen wären so einfach zu beantworten. Es ist doch ganz offenkundig, daß die hinter den Memoiren meines Vaters her waren.«
Einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann sagte Decker: »Man hat Sie überfallen und Ihr Schlafzimmer verwüstet, um an die Memoiren Ihres Vaters zu kommen?«
Lilah brauste auf. »Wissen Sie etwa nicht, wer mein Vater war?«
»Er war Regisseur …«
»Nicht irgendein Regisseur! Er war der Regisseur. Hermann Brecht! Nach dem die Brecht-Schule für Darstellende Kunst in Heidelberg benannt ist. Und der Brecht-Lehrstuhl an der Universität Bonn! Er war nicht bloß ein Genie. Er war das Genie. Seine unübertroffene Brillanz im Filmemachen wird seit Jahren studiert, und das wird auch noch lange so bleiben. Der herausragende Regisseur dieses Jahrhunderts – fünfzehn Meisterwerke bis zu seinem vorzeitigen Ableben im Alter von achtundzwanzig Jahren!«
»Ihr Vater ist mit Achtundzwanzig gestorben?«
»Ja.« Lilahs Augen begannen zu schwimmen. »Ich war noch ein kleines Mädchen und kann mich nur undeutlich an ihn erinnern. Deshalb sind diese Memoiren so wichtig für mich. Sie sind meine Geschichte!«
»Lilah, ich möchte ja nicht unsensibel klingen, aber warum sollten sie für jemand anderen wichtig sein?«
Ihr Gesicht versteinerte sich. »Mein Vater war ein Mann von Visionen von unerreichter Größe. Vor ungefähr einem Jahr hat der gute Freddy ausgeplaudert, daß Vater seine Erinnerungen aufgezeichnet und mir testamentarisch vermacht hat. Bis dahin wußten nur er und ich davon. Doch nachdem Freddy die Katze aus dem Sack gelassen hatte, wurde ich plötzlich mit Anrufen und Briefen von Universitäten bombardiert, die wissen wollten, ob ich ihnen die Memoiren nicht vielleicht stiften möchte! Stiften! Stellen Sie sich mal diese Frechheit vor!
Als dann klar war, daß ich sie nicht stiften würde, haben sie versucht, sie mir abzukaufen. Für dreitausend, dreißigtausend, dreihunderttausend. Ich hätte sie noch nicht mal für drei Millionen weggegeben. Nicht für dreißig Millionen. Aber offensichtlich wollte noch jemand sie unbedingt haben und war bereit, alles zu tun, um sie in die Finger zu kriegen.«
»Was macht denn die Aufzeichnungen Ihres Vaters so begehrt?«
Sie sah ihn empört an, dann wurden ihre Züge wieder etwas weicher. »Mein Vater hat nie Interviews gegeben. Die Memoiren sind das einzig existierende Zeugnis, in dem er sich – in seinen eigenen Worten – über seine Filme, über seine Kunst äußert. Und jetzt werde ich es vielleicht niemals erfahren …« Sie brach in Tränen aus.
Decker spürte, wie er Kopfschmerzen bekam. Was sie sagte, ergab alles nicht sehr viel Sinn. Könnte das ein leises Anzeichen dafür sein, daß sie durch die Schläge eine Gehirnverletzung erlitten hatte? Er würde Dr. Kessler fragen. Als sie mit Weinen aufhörte, sagte er: »Weshalb sagen Sie, daß Sie es vielleicht nie erfahren? Haben Sie die Memoiren Ihres Vaters denn nicht gelesen?«
»Oje, warum ist das Leben bloß so kompliziert?«
Er wartete, daß sie fortfuhr.
»Die Aufzeichnungen sind mir unter der Bedingung vermacht worden, daß ich sie erst fünfundzwanzig Jahre nach seinem Tod öffne. Das wäre in zwei Monaten gewesen. Natürlich mußte ich mich an seine Wünsche halten. Andere haben mich gedrängt, mein Versprechen zu brechen, sobald sie von der Existenz der Aufzeichnungen erfahren hatten. Aber ich wäre eher gestorben, als die letzte Bitte meines Vaters in seinem Abschiedsbrief zu ignorieren.«
Also Selbstmord. Decker ließ das auf sich wirken. »Hatte Ihr Vater die Papiere bei
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