Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
bewegen.«
Decker gab keine Antwort. Er ritt nie ohne Sattel, weil er glaubte, daß selbst die sanftmütigsten Pferde immer noch Tiere waren. Ein Sattel gab Sicherheit, falls es zu einer unvorhergesehenen Situation kam.
Die nächsten fünf Minuten ritten sie schweigend. Ihre Ranch war viel größer, als er sie in Erinnerung hatte, aber vielleicht hatte er auch nicht das ganze Gelände gesehen. Wie sein Grundstück grenzte es an die San Gabriel Mountains, war aber erheblich größer. Ein staubiger Pfad teilte das Grundstück in zwei Hälften. Etwa hundert Meter vor ihnen verschwand dieser Pfad in einem dichten Eukalyptushain. Direkt rechts neben Decker war die Obstplantage, dahinter ein weiteres Gebäude, das wie ein Gästehaus aussah. Links von ihm war der Garten mindestens vierzig Ar voller Nutzpflanzen.
»Das ist ja ein Riesengrundstück«, sagte Decker.
»Ich benutze es ja auch kommerziell.«
»Wie das?«
»Jedes Obst und jedes Gemüse, das in der Beauty-Farm auf den Tisch kommt, stammt aus diesem Garten oder aus einem meiner Gewächshäuser. Das ist die einzige Möglichkeit, die Qualität zu kontrollieren.«
»Ich sehe gar keine Gewächshäuser.«
»Das sind ja auch nicht die großen Fertigdinger. Ich habe mehrere kleine Gewächshäuser, die unauffällig an sonnigen Stellen stehen. Alle sind klimatisch kontrolliert und frei von Pestiziden. Ich baue auch der Jahreszeit nicht gemäße und exotische Früchte an – nur einige wenige, um den Gaumen zu reizen. Außerdem züchte ich tropische Pflanzen – hauptsächlich Orchideen und Bromelien. Daraus kann man wunderschöne Tischdekorationen für den Speisesaal der Beauty-Farm machen.«
»Sie haben ja eine regelrechte Großgärtnerei hier.«
»Meine Gäste haben eben schon einen gewissen Anspruch.«
»Das scheint mir ja reichlich viel Gemüse für die Küche der Beauty-Farm.«
»Es kommt nichts um.«
Einige Minuten ritten sie schweigend.
»Das ist ja eine nette Abwechslung«, sagte Decker. »Wollen Sie mir jetzt sagen, was Sie bedrückt? Wir haben nur noch zwanzig Minuten.«
»Setzen Sie mich nicht unter Druck.«
»Ganz wie Sie wollen …«
»Hören Sie auf!« schrie sie. »Hören Sie auf! Hören Sie auf.«
Erneutes Schweigen. Das Summen in der Luft schien viel lauter, bis Apollo plötzlich anfing zu wiehern und sich aufbäumte.
»Was hat er?« fragte Decker.
»Nichts.« Lilah zog hektisch an den Zügeln. »Mein Gebrüll hat ihn wahrscheinlich erschreckt. Er ist sehr sensibel.«
Sie bekam das Pferd wieder unter Kontrolle.
»Was wollten Sie mir sagen, Lilah?« fragte Decker.
»Ich bin jetzt zu aufgeregt.«
»Lilah, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Wenn Sie sich von mir unter Druck gesetzt fühlen, dann beende ich die Sache jetzt auf der Stelle.«
»Tun Sie’s doch!« sagte sie. »Ganz wie Sie wollen!«
Na prima, dachte er. Was für eine unglaubliche Zeitverschwendung. Er zog kräftig an den Zügeln und drehte das Pferd in Richtung Stall. Dann trat er den Appaloosa in die Seiten, und High Time wechselte in einen langsamen Galopp. Diesmal folgte Lilah ihm.
»Sie können ja reiten!«
Decker antwortete nicht.
»Warum haben Sie so getan, als könnten Sie’s nicht?«
»Wie wär’s, wenn ich die Fragen stelle, Miss Brecht?« Er preschte los, zwang das Tier durch rasches Ziehen an den Zügeln, die Richtung zu wechseln, und raste auf den Eukalyptushain zu. Dort galoppierte er über die schattigen Pfade und kurvte dabei um die Bäume herum wie auf einem Rodeo. Lilah versuchte ihm zu folgen. Apollo war zwar schnell – sicher ein Palomino von reinstem Geblüt aber sie war einfach nicht gewandt genug, um mithalten zu können. Er ließ sie in einer Staubwolke hinter sich. High Time legte sich in die Kurven, als hätte sie Servolenkung – ein Pferd, das Decker auch gern besessen hätte. Wenige Minuten später drosselte er das Tempo, damit Lilah ihn einholen konnte. Er lehnte sich zurück und atmete den Mentholgeruch ein.
»Sie sind großartig!« sagte sie atemlos.
»Wenn wir schon reiten, will ich auch was davon haben.«
Apollo bäumte sich erneut auf. Er stieg mit den Vorderhufen so hoch, daß er fast senkrecht stand.
»Beugen Sie sich nach vorn, Lilah …«
»Ich weiß, wie ich mit meinem Pferd umgehen muß!«
Doch ihre Stimme klang zittrig. Der Palomino balancierte weiter auf den Hinterhufen und trat protestierend nach den Ästen der hohen Bäume.
»Sie sitzen immer noch zu gerade. Sie werden nach hinten fallen.«
»Ich versuch’s ja.
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