Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
der Bursa handelst, bringt das Aufregung.« Sie legte eine Pause ein. »Ich glaube, er meint, daß die Bursa irgendwie aufregend ist, weil es alles draußen stattfindet. Wenn wir es erst mal sehen, verstehen wir es vermutlich.«
Der Empfang im Maccabee-Gebäude war in verschiedene Räume aufgeteilt – und zwar in drei durch dickes Glas voneinander getrennte Abteilungen. Yalom ging durch eine stählerne Drehtür in die ganz rechte, einen kleinen Durchgang voller Menschen. Für Decker sah es sofort so aus, als würde er auf der Rennbahn am Wettschalter anstehen. Die Schalter vorne waren mit der Aufschrift KÄUFER/HAUSANGEHÖRIGE versehen. Yalom stand am Ende eines undisziplinierten Gewimmels von menschlichen Körpern; Decker und Rina reihten sich hinter ihm ein.
Decker sah sich um. Rechts gab es noch eine Drehtür aus Stahl, die in die eigentliche Empfangshalle des Gebäudes führte. Wo man auch hinsah, stand Wachpersonal – im Durchgang, in den Empfangsräumen, hinter den Schaltern. Es waren Dutzende von Männern und Frauen in grauen Hemden, blauen Schlipsen und dunkelblauen Hosen.
Die Schlange kroch zentimeterweise vorwärts, von hinten schubsten Decker schon wieder andere in den Rücken. Seiner Erfahrung nach führten Menschenmengen immer zu Spannungen. Seltsamerweise schien hier niemand irritiert zu sein. In diesem engen Raum war die Menschheit in allen Formen, Größen und religiösen Überzeugungen zusammengepfercht, und keiner schien sich etwas daraus zu machen.
Irgendwann kamen sie schließlich vorne an. Der panzerglasgesicherte Schalter war mit vier Wachleuten besetzt. Drei dieser Wachhunde saßen, und hinter ihnen stand ein weiterer Mann, der sie entweder beaufsichtigte oder Anweisungen gab. Yalom trat an den Schalter und trug sein Anliegen vor. Die Sicherheitsbeamtin nickte und musterte Decker und Rina, während der alte Mann erklärte, was er wollte.
»Pässe, bitte«, sagte sie.
Decker nahm sie aus der Jackentasche und händigte sie dann zögernd der Beamtin aus. Sie öffnete sie, sah aber nicht hinein. Statt dessen schien sie zuzuhören, was eine Reihe weiter besprochen wurde. Unvermittelt mischte sie sich in das Gespräch und fing einen Streit mit ihrer Kollegin an, die mit einer Frau mit Kleinkind zu tun hatte.
»Was ist los?« fragte Decker Rina. »Was macht sie?«
Rina lächelte müde. »Sie läßt sich ablenken, das macht sie. Es scheint eine Scha’ala zu geben, ob Kinder unter zwölf einen Paß brauchen oder nicht.«
»Eine Scha’ala?«
»Ein Frage.«
»Oh, eine Schejle«, sagte Decker und betonte es, als wäre er in der Jeschiwa.
Rina lächelte. »Ja, eine Schejle.«
Schließlich ließ sich die Beamtin herab, einen Blick in die Pässe in ihrer Hand zu werfen. Sie sah sich alles genau an, dann tippte sie irgendetwas in einen Computer. Mr. Yalom sagte etwas zu Rina.
Sie übersetzte. »Sie stellen uns Namensschilder und Ausweiskarten aus.«
Eine Minute später gab Yalom ihnen zwei Plastikkarten, und sie durften die Haupthalle betreten. Wie dichter Nebel huschten die Menschen über den weiß-grauen Marmorboden. Links gab es eine Wand mit Schließfächern, geradeaus waren die Aufzüge. Sie quetschten sich in die nächstbeste Kabine und fuhren eine Etage höher. Zu Deckers Überraschung stiegen alle anderen auch mit aus. Yalom führte sie zu einem zweiten Fahrstuhl und drückte auf den Knopf zum fünfzehnten Stock.
Decker sagte zu Rina: »Was war das denn?«
Yalom schien die Frage zu verstehen. Er sagte etwas auf hebräisch zu Rina.
Rina übersetzte: »Der erste Fahrstuhl geht nur bis zur Bursa. Diese Aufzüge hier nimmt man, wenn man zu den Büros will.«
»Für Leuten«, sagte Yalom. »Vielen zu genug Leuten.«
Decker verstand ihn nicht, aber er fragte nicht nach.
Eventuell war es eine Sicherheitsgeschichte. Die Kabine fuhr zum fünfzehnten Stock, und sie stiegen aus. Hier war es still und sah ähnlich aus wie in Yaloms Büro in Los Angeles. Aber anders als das Diamantenzentrum in L. A. hatte hier jede Tür ihre Mezuza.
Die Mezuza. Das Symbol dafür, daß es sich um ein jüdisches Geschäft handelte. An jeder einzelnen Tür. Ja, jetzt merkte Decker endlich, daß sie in einem jüdischen Land waren. Es war ein zugleich merkwürdiges und heimisches Gefühl. Yalom drückte auf den Klingelknopf zu dem Büro, und sie wurden mit einem Summen in einen Vorraum eingelassen.
Die Sekretärin hinter der Glaswand erinnerte Decker an Yochie. Sie hatte rabenschwarzes Haar und trug eine
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