Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
Schweiß aus.
35
Auf den zweiten Blick war der Jetlag ein Segen. Während das Land schlief, lief Decker auf Hochtouren, die Dringlichkeit hielt seinen Motor am Laufen. Er beendete sein Gespräch mit Marge und begann fieberhaft, etwas in seinem Mantel zu suchen.
»Elhiani hat mir seine Karte gegeben.« Decker zog etwas aus der Tasche. »Verdammt! Das ist seine Büronummer.«
Rina nahm ihm die Karte ab. »Irgendwo müssen wir ja anfangen.« Sie tippte die Nummer ein. Es dauerte sehr lange, bis jemand an den Apparat ging. Nicht gerade überraschend, wenn man bedachte, daß es vier Uhr morgens war. So ruhig sie konnte, erklärte Rina, daß es sich um einen dringenden Notfall handelte und sie deshalb unbedingt sofort mit Mefakeah Elhiani sprechen müssen. Einen Augenblick später hielt Rina die Hand über die Sprechmuschel.
»Ich bin in der Warteschleife.«
Decker vergrub das Gesicht in den Händen, dann sah er auf. »Weißt du, er wird mich für völlig verrückt halten. Ich würde mich so einschätzen. Alles, was ich habe, ist ein Kartenhaus. Wenn nur irgendeine meiner Annahmen nicht zutrifft, fällt alles in sich zusammen.«
»Und was ist die Alternative? Willst du die Bursa hochgehen lassen?«
»Ja, du hast recht. Dann sehe ich eben aus wie ein Idiot. Besser das, als …« Decker fing an, im Raum auf und ab zu tigern. »Ich hasse es, hier zu sein. Ich bin nicht in meinem Element, mit meinen Ermittlungen komme ich absolut nicht voran, weil ich die verdammten Regeln hier nicht kenne!« Er blieb stehen und zerwühlte sich die Haare. »Zum Teufel mit dem Selbstmitleid, Deck. Alles schön der Reihe nach. Jetzt müssen wir erst mal Elhiani erreichen.«
»Ich versuch’s ja!« Rina spürte, wie verzweifelt ihr Mann war. »Soll ich auflegen und noch mal anrufen?«
»Nein.« Decker sah auf die Uhr. Zwölf nach vier. »Nein, leg nicht auf. Wenn es nötig sein sollte, rufe ich von einem anderen Telefon aus an.«
Er lachte bitter bei dem Gedanken, wie er versuchte, ohne Rinas Hilfe mit der Diensthabenden in der Telefonstelle zu kommunizieren.
Rina hob den Finger, um anzuzeigen, daß sie wieder in der Leitung war. Die Frau am andern Ende kündigte an, daß sie sie jetzt durchstellen würde. Durch das Rauschen in der Leitung konnte Rina eine total verschlafene Stimme ausmachen. Sie sagte Mefakeah Elhiani, wer sie war, und erklärte, warum sie anrief.
Elhiani hörte ihrer Stimme die Aufregung an. »Geben Sie mir mal Ihren Mann.«
Rina reichte den Hörer an Peter weiter. Decker bat sie, an die andere Leitung zu gehen, falls er Hilfe brauchte.
»Nun erklären Sie mal«, forderte Elhiani ihn auf.
Decker erzählte seine Geschichte, Rina übersetzte, wenn sie dazu aufgefordert wurde. Als er schließlich fertig war, herrschte eine Weile Ruhe am anderen Ende. Decker konnte sich den Ausdruck der Fassungslosigkeit in Elhianis Gesicht gut vorstellen.
Der Mefakeah sagte: »Sie haben es mit den Bomben, Sarkeeant, was?«
Decker holte tief Luft. »Ich weiß, es hört sich weithergeholt an –«
»Was ist weithergeholt?«
»Meschugge«, gab Decker zu. »Verrückt.«
»Cain, es ist verrückt. Ich würde einfach auflegen, aber ich habe Neuigkeiten.«
Decker spürte, wie sein Puls sich beschleunigte. »Was?«
»Ich hatte die Tasche Ihrer Frau … und habe mir die Autonummern angesehen. Eine gehört der Khouri-Familie. Der Vater hat beim Massaker von Hebron einen Bruder und zwei Söhne verloren. Ibrahim Khouri hat Rache geschworen. Ihre Frau sprach von einem Schulbus, der bombardiert werden sollte. Da bin ich jetzt sehr nervös. Das hört sich wie Ibris Racheakt an, aber jetzt sprechen Sie davon, daß die Bursa in die Luft gesprengt werden soll … das ist eine Wahnsinnstat.«
»Sehen Sie doch, was in der Or Tora Jeschiwa passiert ist. Das war auch eine Wahnsinnstat«, wandte Decker ein.
»Nicht im gleichen Maße, wie die Bursa hochgehen zu lassen.«
Ohne spürbare Regung sagte Decker: »Es ist Ihre Aufgabe, Mefakeah. Es ist ihr Land. Sie sind am Zug.«
Es wurde still in der Leitung. Decker konnte Elhiani schwer atmen hören.
»Wenn diese Gweret Milligan eine Bombe in der Bursa gelegt hat«, sagte Elhiani, »warum fliegt sie dann nicht hoch?«
Decker sagte: »Vielleicht hat sie den Timer so eingestellt, daß sie erst hochgeht, wenn Leute drin sind. Israel soll so handlungsunfähig wie möglich gebombt werden.«
»Und sie soll heute hochgehen?«
»Möglicherweise.«
»Sie sagen mir, Milligan ist eine reiche Anwaltsperson
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