Decker & Lazarus 08 - Doch jeder toetet, was er liebt
rechte Hand lag zwischen meinen Schenkeln, und die Fingerspitzen tasteten sich Stück für Stück in meine Weiblichkeit vor. Dann hielt er plötzlich inne, und wir sahen uns in die Augen. Und dieses eine Mal waren seine Augen nicht tot. Er flüsterte: »Ich tue, was immer du willst, Teresa. Du führst. Ich folge.«
Es war kein Sex, aber es war verdammt nah dran. Ein ausgezeichneter Kompromiss, der uns die ganze Nacht hindurch beschäftigt hielt.
23
Der Schlaf war ein nachlässiger Liebhaber gewesen – ein Wirbelsturm im Hirn nach dem nächsten, der einen aufschrecken und plötzlich daran denken ließ, was es alles zu erledigen gab. Um vier Uhr morgens war Decker schließlich aufgestanden, hatte sich ganz leise aus dem Bett erhoben und angezogen. Dann hatte er sich eine Kanne Kaffee gekocht, die Zeitung gelesen, war unter einem mondlosen Sternenhimmel mit dem Hund raus gegangen und hatte den Stall in Angriff genommen – ausgemistet und neues Stroh aufgeschüttet, die Pferde gefüttert und gestriegelt.
Gegen sechs war er nicht nur anständig ins Schwitzen gekommen, sondern hatte auch seine Gedanken geordnet. Wieder klar im Kopf hatte er eine neue Kanne Kaffee aufgesetzt und dann die Akte Diggs herausgenommen – einen dicken Umschlag, der von offiziellen Dokumenten überquoll.
Bei dieser Gelegenheit siegte der Nutzen über die Eitelkeit. Decker setzte eine Lesebrille auf und ging den Papierstapel vor sich durch. Das unausweichliche Voranschreiten der Zeit hatte für ihn besondere Bedeutung, weil Rina sich allen gültigen biologischen Gesetzen widersetzte. Sie war zwölf Jahre jünger als er und sah inzwischen noch jünger aus als damals, als sie geheiratet hatten – ein für ihn immer wieder verblüffendes Phänomen, das Einstein ihm aber vielleicht hätte erklären können. Mit der Lesebrille auf der Nase, Kaffee schlürfend, las er, machte Notizen, zeichnete Diagramme und Raster und entwarf Zeitpläne.
Um Viertel vor sieben kamen Rinas Schlappen in die Küche geschlurft. »Du hast nicht geschlafen, oder?«
»Ein paar Stunden.« Decker nahm die Brille ab und stand auf. »Ich könnte es als einigermaßen schlaflose Nacht betrachten, aber stattdessen werde ich es als erfrischendes Nickerchen verbuchen. Alles ist relativ.«
»Das mag schon sein, aber du siehst erschöpft aus.« Sie schüttelte den Kopf. »Erst hat Cindy dir den Schlaf geraubt und jetzt dieser Fall. Peter, du brauchst Erholung.«
»Tatsächlich fühle ich mich ziemlich gut.«
Rina fing an, ein Milchfläschchen anzuwärmen. »Das ist unter dem Einfluss von Coffein gesprochen.«
»Apropos, der Kaffee ist frisch. Wir haben noch ungefähr fünfzehn Minuten vor dem morgendlichen Ansturm. Warum setzt du dich nicht ein bisschen zu mir?«
Rina schenkte sich eine Tasse ein, ertränkte den Kaffee in Milch und setzte sich an den Küchentisch. Sie war in einen samtenen Morgenrock gehüllt, das rabenschwarze Haar fiel ihr wirr ums Gesicht. Ihre wasserblauen Augen blickten schläfrig in die Runde. »Hast du Cindy angerufen?«
»Ja, hab ich. Stell dir mal vor! Jetzt will sie den Sommer über in New York bleiben.«
»An der Columbia?«
»Nein, mit zwei Freundinnen. Sie wollen sich eine Wohnung mieten. Ist es denn zu glauben?«
»Was soll daran falsch sein?«
»Nichts, außer dass ich sie zu Hause haben will.«
»Aber sie will nicht nach Hause kommen.«
»Na und? Ich bin ihr Vater, und ich will, dass sie nach Hause kommt.« Er schenkte sich Kaffee nach und steckte zwei Scheiben Roggenbrot in den Toaster. »Ich weiß, ich weiß. Ich muss loslassen lernen. Sie müssen sich freischwimmen. Was für ein Müll. Was für ein unglaublicher Haufen Müll.« Er runzelte die Stirn. »Wie geht’s dem Rest der Familie? Vermissen sie mich?«
»Tun sie.«
»Sag den Jungs, dass ich heute Abend mit ihnen ausreite.«
»Ah … heute Abend müssen sie lernen.«
»Ich dachte, sie lernen donnerstagabends.«
»Das sind die Mischnajess in ihrer Schule. Dienstags haben sie ihre Extrastunden bei Rav Schulman in der Ohawei Torah. Er hat übrigens nach dir gefragt.«
»Ich weiß«, sagte Decker. »Es ist schrecklich mit mir … sage andauernd Stunden ab. Ich hatte zu tun – ich weiß, ich weiß. Man hat nie zu viel zu tun für die Torah.«
»Er hat nicht nach dir gefragt, um dich zu tadeln, Peter. Er macht sich Sorgen um dich … all die Überstunden, die du machst.«
Decker sah Rina misstrauisch an. »Du hast doch nicht mit ihm gesprochen, oder?«
Ȇber dich?
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