Decker & Lazarus 11 - Der wird Euch mit Feuer taufen
ziemlich sicher, dass er sich nicht gern in Frage stellen ließ. Ich glaube, das ist einer der Gründe, warum er ausgestiegen ist. Als er immer verrücktere Ideen hatte, wurde er zur Zielscheibe heftiger Kritik. Ich glaube, das hat ihm nicht geschmeckt. Aber das gehört alles nicht zur Sache. Ich weiß nicht, wer mich angerufen hat. Und auch nicht, warum. Aber ich bin froh, dass sie es getan hat. Es ist gut, dass sich die Polizei damit befasst.«
»Sind Sie je von einem anderen Ordensmitglied als Ihrem Vater angerufen worden?«
»Nein.«
»Und die Stimme der Frau … die haben Sie zum ersten Mal gehört?«
»Wollen Sie wissen, ob mir die Stimme bekannt vorkam?«
»Ja?«
»Nein. Es war nicht Venus, falls Sie darauf hinauswollen.«
»Ich will auf gar nichts hinaus. Woher wissen Sie, dass es nicht Venus war?«
Sie nahm zwei Kaffeebecher vom Bücherregal. »Weil ich weiß, wie Venus klingt. Sehen Sie, Venus, geborene Jilliam Laham, war früher meine beste Freundin.«
8
Europa legte die Füße auf den Schreibtisch, nahm einen Schluck von ihrem Kaffee und sagte: »Früher hatte ich Freundinnen wie jedes andere Mädchen, Jilliam war eine davon. Uns verband die Einsamkeit. Wir hatten beide abwesende Väter und narzisstische Mütter, aber bei ihr war die Situation noch extremer. Mein Vater sprach zumindest ab und zu mit mir, weil ich wissenschaftlich interessiert war. Jilliam und ihren Vater verband nichts. Er war ein erfolgreicher Anwalt, der Kinder hasste, aber gern Sex mit jungen Mädchen hatte. Rückschauend nehme ich an, dass ihre Beziehung zu Dad eine natürliche Folge des Fehlverhaltens ihres Vaters war.«
Sie hielt inne.
»Auch unsere Mütter hatten gewisse Gemeinsamkeiten. Meine war sehr mit sich beschäftigt, aber ihre war selbstsüchtig und egoistisch. Wir lernten uns kennen, als wir elf waren. Ich hatte Mitleid mit ihr. Sie wirkte so verloren.« Europa verdrehte die Augen. »Ich hatte ja keine Ahnung.«
Decker stellte seinen Kaffeebecher ab. »Wann fing das Verhältnis zwischen Venus und Ihrem Vater an?«
»Schwer zu sagen. Mein Vater verschwand, als ich fünfzehn war. Als er zehn Jahre später als Jupiter wieder auferstand, wusste ich, dass ich ihn sehen musste. Jilliam kam als moralische Unterstützung mit. Das Treffen war schrecklich.«
»Inwiefern?«
Europas Augen wurden feucht. »Ich wollte einen Vater.«
Kurzes Schweigen. »Ich bekam keinen. Ich fühlte mich betrogen, war aber nicht überrascht.«
»Wie haben Sie von seiner Rückkehr erfahren?«
Europa schaute Decker an. »Durch einen Anruf.«
Es wurde still. Nur das Ticken der Uhr und die undeutlichen Geräusche von draußen waren zu hören.
»Er war nicht direkt grausam. Er konnte einfach nicht anders. Für Jilliam war das gut genug. Sie sog sein bizarres, pseudowissenschaftliches Geschwafel auf. Ich glaube nicht, dass sie auch nur ein Wort davon verstand. Aber sie reagierte auf seine starke Persönlichkeit. Dann merkte ich, dass die Verzückung gegenseitig war. Wie er sie ansah – dieser nackte Hunger in seinen Augen! Obwohl ich es damals nicht wahrhaben wollte, wusste ich, dass etwas passieren würde.«
»Glauben Sie, dass sie schon vor diesem Wiedersehen eine Beziehung hatten?«
»Das bezweifle ich.« Sie verzog das Gesicht. »Jilliam war erst fünfzehn, als mein Vater verschwand.«
»Hat er andere Frauen verführt?«
Europa starrte ihn an. »Warum fragen Sie mich nach Dads sexuellen Neigungen?«
»Wir ermitteln hier in einem Fall mit ungeklärter Todesursache.« Decker klopfte auf seinen Notizblock. »Ich habe mich nur gefragt, ob Ihr Vater sich jemand zum Feind gemacht haben könnte – einen gereizten Ehemann vielleicht oder einen eifersüchtigen Freund.«
Europa prustete laut los. Das Lachen kam so abrupt, dass es Decker völlig überraschte.
Sie sagte: »Die angebrachtere Frage wäre, wen mein Vater sich nicht zum Feind gemacht hat, Lieutenant. Bevor er verschwand, muss er jede Brücke hinter sich verbrannt haben. Meine Brüder und ich haben oft überlegt, ob er nicht noch etwas Ruchloseres getan hat, als nur Karrieren zu zerstören.«
Rasch schlug Decker eine neue Seite in seinem Notizblock auf. »Ihr Vater hat Karrieren zerstört?«
Europa betrachtete ihn eindringlich. »Irgendwie haben Sie es geschafft, dass ich Ihnen von unseren schmutzigen Familienangelegenheiten erzähle. Obwohl ich keine Ahnung habe, was das mit dem Tod meines Vaters zu tun hat. Nein, Lieutenant, ich glaube nicht, dass er jemanden umgebracht
Weitere Kostenlose Bücher