Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
diverse Soldaten und Mitarbeiter des Schatzamtes den Ankömmling musterten. Aus einer Gruppe von drei Beamten löste sich Edgar Ness, ein kleiner glatzköpfiger Mann unbestimmten Alters, und geleitete Chester wortlos in das Innere des Gebäudes, in dem eine fast gespenstische Ruhe herrschte. Schweigend und ohne Hast gingen die beiden Männer auf einen Lastenaufzug zu, der sie ein Stockwerk tiefer brachte, wo unzählige Neonröhren hunderte vergitterte Stahlboxen und ihren glänzenden Inhalt beleuchteten. Der schier überwältigende Anblick dieser Unmengen von Gold hätte jedem Neuankömmling den Atem verschlagen. Für die beiden Männer hingegen war der Anblick vertraut. Die Goldreserven des Schatzamtes der Vereinigten Staaten, die sich zu meterhohen Blöcken symmetrisch auftürmten, waren für sie lediglich platzverschwendende Metallteile, die so gut wie nie bewegt und entnommen wurden und stattdessen ihren Wert an den Börsen dieser Welt entwickelten.
»Fünf Milliarden?«, fragte Ness und polierte mit einem Taschentuch sein rundes Brillengestell sauber, bevor er sich anschließend Schweiß von der Glatze wischte.
»Ja, so will es Washington«, bestätigte Chester.
»Und im Fernsehen war die ganze Zeit von fünfzig Milliarden die Rede«, insistierte der Glatzkopf. »Aber vielleicht stelle ich besser keine Fragen.«
»Ganz richtig«, kommentierte Chester knapp.
Die Männer gingen einen langgezogenen Gang entlang, der gerade zwischen den Gitterboxen entlang führte und an ein Gefängnis erinnerte. Jede Gitterbox war mit schweren Eisenrädern und speziellen Zahlenschlössern gesichert. Obwohl man mit der Hand durch die Gitterstäbe durchlangen konnte, war es aufgrund des auflastenden Gewichts unmöglich, einen einzelnen Barren aus den Quadern zu ziehen. An jeder Zelle waren Hinweisschilder angebracht, die auf den Eigentümer des Goldes hinwiesen. Es waren fast ausschließlich amerikanische Goldreserven, die hier gelagert wurden. Allerdings waren aus Platzgründen in der Federal Reserve Bank in Manhattan einige Bestände nach Fort Knox ausgelagert worden, sodass auch Vorräte fremder Nationen hier deponiert waren.
»Hier ist die Zelle, nach der Sie suchen. Nummer 24. Einhundertundeinundneunzig Tonnen. Marktwert nach Tagespreis …«
»Bemühen Sie sich nicht, ich kenne den Preis für die Feinunze. Auf dieser Fläche stehen Barren im Wert von fast fünf Milliarden Dollar. Plusminus ein paar Gequetschte.«
Ness kontrollierte mit einem Taschenrechner den Umrechnungskurs und bestätigte das Ergebnis mit einem Kopfnicken. »Und was soll jetzt damit geschehen, Mr Chester?«
»Hier ist der Befehl aus Washington.« Der Staatssekretär des Finanzministeriums reichte dem fast zwei Köpfe kleineren Mann ein Faxdokument mit dem Siegel und der Unterschrift des Präsidenten. Ness rückte erstaunt seine Brille zurecht und sah den Staatssekretär überrascht an.
»Das Zeug soll nach Houston?«
»Ja.«
Ness schaute den Staatssekretär an, als erwarte er weitere Anweisungen. Da Chester aber anscheinend nicht gewillt war, von sich aus zu reden, hakte der Hüter des Goldschatzes nochmals nach. »Es wird eine Weile dauern, bis wir es verladen und rüber zum Flughafen transportiert haben.«
»Nein, schaffen Sie es auf dem Landweg rüber, ich kümmere mich um die Details. Wir werden einen Militärkonvoi einsetzen.«
»Wie Sie meinen. Trotzdem habe ich noch eine Frage.«
»Ja?«
»Haben Sie sich auch bestimmt nicht mit der Nummer geirrt? Die Zelle Nummer 24 gehört uns nämlich nicht. Darin lagern die gesamten Goldreserven von Li …«
»Ich weiß«, unterbrach ihn Staatssekretär Chester mit einem wissenden Lächeln. »Aber das müssen wir ja niemandem auf die Nase binden.«
KAPITEL 90
27.04., 19.00 Uhr
Houston, Flugkontrollzentrum
I n dem Glauben, das Schlimmste bereits überstanden zu haben, wollte John Forrester sich gerade eine kleine Verschnaufpause gestatten, als der scheinbar schlafresistente Armstrong mit finsterem Blick an seinen Computertisch kam und ihn in ein weiteres Gespräch verwickelte.
»Könnte mir vorstellen, dass Sie eine Mütze Schlaf bräuchten, aber daraus wird im Moment nichts. Ich muss mit meinen Leuten auf der ISS reden. In fünf Minuten brauche ich eine Verbindung.«
Der Flugdirektor der NASA rieb sich müde das Gesicht und konnte nur schwer ein Gähnen unterdrücken. Mit geröteten Augen blickte er den Hünen an.
»Ich dachte, es sei alles geklärt? Das Fax aus dem Weißen Haus ist doch
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