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Dein Blut auf meinen Lippen

Dein Blut auf meinen Lippen

Titel: Dein Blut auf meinen Lippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gabe
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In dem Fall haben sie längst ein Komplott geschmiedet, um diese Hochzeit zu verhindern und dich um einen hübschen Kopf kürzer zu machen."
    Julia wunderte sich über sich selbst, als sie plötzlich lachen musste. Das Szenario, das die Amme entwarf, war nicht aus der Luft gegriffen, und dennoch fand sie die Vorstellung einfach nur komisch.
    "Glaubst du vielleicht, ich mache Witze?", fragte die Amme gereizt.
    "Nein, gute Amme, natürlich nicht." Julia Fächerte sich mit der Hand Luft zu, um ruhiger zu werden. "Aber du scheinst an der fixen Idee zu hängen, dass meine Hochzeit auf direktem Wege ins Verderben führt."
    Die Amme senkte den Blick und sagte ernst: "Ganz recht. Und aus diesem Grund werde ich dich nicht weiter begleiten."
    "Was? Du willst mich nicht meinem Bräutigam übergeben?", fragte Julia ganz entsetzt.
    "Ich wünschte, du wärst mein eigenes Kind, aber das bist du nun mal nicht. Also steht es mir ohnehin nicht zu, dich deinem Bräutigam zu übergeben", erwiderte die Amme.
    Julia wollte sie umstimmen, aber ehe sie damit beginnen konnte, wurde die Tür geöffnet. Ein dünner, bescheidener Mann mit weißen Haaren und brauner Kutte erschien im Torbogen, lächelte warmherzig und verbeugte sich.
    "Ah, Fräulein Julia", sagte er. "Seid willkommen, die Damen."
    "Vielen Dank, Bruder Lorenzo." Julia war erleichtert, dass er sie nicht befremdet anstarrte, denn sie wusste, dass sie nicht gerade so aussah, wie es sich für eine Braut gehörte. Zwar konnte sie nicht verbergen, was mit ihren Augen passiert war, aber sie verschränkte die Arme vor der Brust, damit der Mönch nicht auch noch ihre klauenähnlichen Hände sah.
    "Hier entlang, mein Fräulein." Der Mönch bot Julia formvollendet seinen Arm an. "Romeo wartet schon in der Kapelle."
    Julia legte eine Hand auf seinen Arm und schaute sich zu ihrer Amme um. "Wirst du wenigstens auf mich warten?"
    Die Amme nickte und strich ihrem Schützling liebevoll über die Schultern.
    Während Julia durch das Kloster ging, wurde sie immer nervöser. Obwohl sie sich nichts sehnlicher wünschte, als für immer mit Romeo vereint zu sein, machten ihr ganz ungewohnte und verstörende Begierden zu schaffen. Auch ihre Haut veränderte sich zusehends und war schon fast schneeweiß.
    Der Mönch führte sie durch gewundene Gänge und zahllose Räume. Auf einmal bemerkte Julia eine kleine Wunde an seinem Kinn, die er sich wahrscheinlich beim Rasieren zugezogen hatte. Früher hätte sie dem keinerlei Beachtung geschenkt, aber ganz gegen ihren Willen betrachtete sie diese Wunde nun mit ganz anderen Augen.
    Doch vor allem konnte sie das Blut riechen, obwohl es schon angetrocknet war. Es duftete so köstlich wie ein guter Braten, der über dem offenen Feuer geröstet wurde. Das Aroma stieg ihr in den Kopf und machte sie ganz benommen. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen, und sie konnte ihre Gier kaum bezwingen. Es kostete sie eine ungeheure Überwindung, sich darauf zu konzentrieren, was jetzt wirklich wichtig war: das Versprechen für die Ewigkeit, das sie Romeo Montague in wenigen Augenblicken geben würde.
    "Da wären wir, Julia", sagte der Mönch und blieb an einer Tür stehen, die kaum größer war als er. "Bist du bereit?"
    Obwohl Julia es nicht erwarten konnte, ihre große Liebe wiederzusehen, war sie kaum dazu in der Lage, sich vom Anblick der Wunde am Kinn des Mönchs loszureißen. Es gelang ihr schließlich nur mit äußerster Willenskraft. Sie schüttelte sich, als erwache sie aus einer Trance, und nickte.
    Langsam öffnete der Mönch die Tür, und der Glanz von Dutzenden Kerzen in hohen schmiedeeisernen Haltern blendete Julia beinahe. Die Fenster waren einen Spaltbreit geöffnet, und der Wind bauschte die Vorhänge. Ein silberner Seidenläufer führte zu einem Altar an der Stirnseite des Raums, dessen Wände mit cremefarbenem Tuch bespannt waren. Vor dem Altar stand Romeo in einem blauen Gewand aus Samt, das Haar sorgfältig frisiert, und in der Hand hielt er eine Rose.
    Am liebsten wäre Julia direkt zu ihm gelaufen, um ihn in die Arme zu schließen, und Romeo lächelte so selig, als hätte auch er keinen größeren Wunsch. Julia war so glücklich wie nie zuvor im Leben. Ihr war, als schwebe sie auf Wolken.
    Doch schon im nächsten Moment sah sie, wie Romeos Blick sich trübte und ihm die Kinnlade herunterfiel.
    "Julia!", stieß er ungläubig hervor.
    Sie dachte, ihre rotverfärbten Augen hätten ihn erschreckt. Doch als der Mönch sie losließ, einen

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