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Dein Blut auf meinen Lippen

Dein Blut auf meinen Lippen

Titel: Dein Blut auf meinen Lippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gabe
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beeindruckt. "Du bist eine Capulet, da ist so etwas wohl zu erwarten."
    "Das stimmt zwar, aber es verstößt gegen alles, woran ich glaube. Wenn ich dieses Ritual heute Nacht jedoch nicht vollführe, bin ich am nächsten Morgen tot", sagte Julia mit brüchiger Stimme. "Bevor ich Romeo kennenlernte, war ich bereit, mein Leben für meine Überzeugungen zu opfern. Aber jetzt möchte ich weiterleben und keine Minute von ihm getrennt sein."
    Der Mönch schwieg und dachte darüber nach, was Julia ihm anvertraut hatte.
    "Schon jetzt habe ich einen mörderischen Durst auf Menschenblut. Früher, als ich noch ein ganz normales Mädchen war, habe ich mir geschworen, dass mir das nie passiert oder dass ich dieser Gier wenigstens nicht nachgebe, wenn sie mich doch heimsuchen sollte. Nun aber wollen meine Eltern, dass ich ausgerechnet Romeo in meiner Verwandlungsnacht töte und damit den Tod meines Cousins Tybalt räche. Außerdem verlangen sie, dass ich morgen einen Vampir heirate. Aber das kann ich nicht! Ich würde meinen Liebsten doch niemals so hintergehen!" Julia brach in Tränen aus und schlug mit der flachen Hand auf das Fenster ein. Als sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte, fügte sie hinzu: "So, jetzt wissen Sie es. Das ist mein Problem. Deswegen bin ich zu Ihnen gekommen."
    Der Mönch griff nach ihren Händen. "Eine schreckliche Geschichte, zweifelsohne. Was sagt Romeo denn dazu?"
    Immer noch liefen Julia Tränen über die Wangen. "Er weiß noch nichts von dem Verwandlungsritual, genauso wenig wie von meiner Verlobung mit Graf Paris."
    Der Mönch seufzte und sah Julia missbilligend an.
    "Ich wollte es ihm heute Morgen erzählen, Bruder Lorenzo, aber wir wurden unterbrochen", erklärte Julia. "Seither weiß ich nicht mal, wo er ist, und so hatte ich bis jetzt keine Gelegenheit, noch einmal mit ihm zu sprechen."
    Der Mönch nahm Julia bei den Händen. "Wenn du ihm alles gestanden hättest, hätte er bestimmt Verständnis für dich gehabt, nicht zuletzt, weil er ja selbst gegen seinen Willen handeln und jemanden töten musste."
    "Aber das ist nicht dasselbe. Seine Freunde und er wurden angegriffen." Sanft löste Julia ihre Hände aus dem Griff des Mönchs. "Ich dagegen müsste jemandem das Leben nehmen, der mir nicht das Geringste angetan hat. Und wenn es nach meiner Familie geht, ist dieser Jemand ausgerechnet der Mann, den ich liebe."
    "Nun, meine Liebe, wenn ich ehrlich sein soll, mache ich mir schon Sorgen um eure Zukunft, seit ich euch getraut habe. Ich habe keinen Grund, an euren Gefühlen füreinander zu zweifeln, aber ihr kommt aus so verschiedenen Welten, dass auf eurer Verbindung eigentlich kein Segen liegen kann. Trotzdem glaube ich, dass ich eine Lösung für euer Problem gefunden habe. Ich habe nämlich schon darüber nachgedacht."
    Julias Augen weiteten sich. "Wirklich?"
    "Begleite mich in die Bibliothek. Dort werde ich dir alles erklären."
    Wieder durchzuckte Julia ein so heftiger Schmerz in der Magengegend, dass sie sich krümmte. Sie hätte alles dafür getan, diese Tortur zu beenden. "Lassen Sie uns gehen", sagte sie, als sie wieder sprechen konnte.
    Die Bibliothek lag im obersten Stockwerk des Klosters, ein großer, luftiger Raum mit je zwei Fenstern in den Wänden. Auf der linken Seite hing ein Gemälde des Abendmahls, auf der rechten standen etliche Regale und Schränke, die von Büchern überquollen.
    Der Mönch trat an ein Regal, fuhr mit den Fingern über die in Leder gebundenen Buchrücken und las die Titel, bis er zu einem Band mit aufgestickten goldenen Lettern kam: Rückkehr zur Tugend. Er nahm das Buch aus dem Regal und blätterte die vergilbten Seiten schnell um; offenbar wusste er genau, wonach er suchen musste.
    Es dauerte nicht lange, bis er innehielt und auf einen längeren Absatz zeigte. "Hier, Julia, lies selbst!"
    Er reichte ihr das großformatige Buch, das sich überraschend leicht anfühlte, und mit glühenden Augen begann Julia zu lesen:
    Schon seit Jahrhunderten vermuten Theologen, die Heilige Schrift weise den Weg zur Erlösung der Untoten, insbesondere Matthäus 5,13-16, ausgehend von der Frage: "Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen?"
    Angeregt durch die in dieser Passage aufgeworfenen Überlegungen haben Missionare vielfach versucht,  Kreaturen der Unterwelt in Menschen rückzuverwandeln, indem sie ihnen vom Blute toter Vampire zu  trinken gaben, das zuvor mit dreierlei Salzen gereinigt wurde.

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