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Dein Blut auf meinen Lippen

Dein Blut auf meinen Lippen

Titel: Dein Blut auf meinen Lippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gabe
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Sache vielleicht erleichtern könnte."
    Julias Mund wurde plötzlich ganz trocken. Hatten ihre Eltern wirklich etwas gefunden, das es ihr ersparen würde, einen unschuldigen Menschen zu töten? Waren sie wenigstens dieses eine Mal bereit, Anstand und Moral zu wahren? "Ach ja?", sagte sie überrascht. "Was denn?"
    "Tybalt ist von diesem elenden Spross der Montagues erschlagen worden - Romeo oder wie er heißt", sagte die Gräfin. "Da sollte es dir eine Freude sein, deinen Cousin zu rächen und diesen Romeo zu deinem ersten Menschenopfer zu machen. Was hältst du davon?"
    Julia wusste nicht, wie blass sie inzwischen war. Aber falls sie überhaupt noch Farbe hatte, war nun der letzte Rest davon aus ihrem Gesicht gewichen.
    "Du und Vater ... ihr wollt, dass ich ... Ich soll Romeo Montague töten?", stammelte sie und konnte nicht fassen, dass sie so etwas Monströses überhaupt auszusprechen vermochte.
    "Wenn du es nicht tust, übernimmt es einer von uns", erwiderte ihre Mutter. "Es sind genug Capulets unterwegs, die ihn suchen und es gar nicht abwarten können, ihn zu vernichten."
    Julia war wie erstarrt. Mit offenem Mund stand sie da und vergaß sogar zu atmen.
    "Was stehst du denn da wie eine Salzsäule?" Verärgert griff die Gräfin nach dem in der Luft schwebenden Fächer und schlug ihn zu. "Um Mitternacht brauchst du Menschenblut. So oder so. Und dieser Mann hat deinen Cousin ermordet. Tybalts Tod zu rächen, ist eine Frage der Familienehre."
    "Aber doch nicht auf Kosten meines Seelenfriedens!", rief Julia aus und krümmte sich vor Schmerzen.
    "Dein Seelenfrieden? Dass ich nicht lache! Sieh dich doch nur an! Schon jetzt bringt dich der Blutdurst fast um, aber du glaubst immer noch, du könntest dir moralische Skrupel leisten. Dieser Romeo ist kein harmloser Bauer, Julia! Er hat deinen Cousin ermordet, und deswegen muss er sterben."
    "Woher nimmst du das Recht, über das Leben von Menschen zu entscheiden?", zischte Julia durch zusammengebissene Zähne.
    "Als deine Mutter habe ich wohl zumindest das Recht zu entscheiden, was mit dir passiert", gab die Gräfin ungerührt zurück.
    Julia nutzte die negative Energie ihrer Schmerzen, um sie in den Mut und die Kraft umzumünzen, die sie brauchte, um sich gegen ihre Mutter zu behaupten, und sagte: "Aber es ist meine Entscheidung, ob ich dir gehorche."
    Ungehalten beugte sich die Gräfin im Sessel vor und sah Julia kalt an. "Ich habe deinen Vater gefragt, ob wir deine Hochzeit mit Graf Paris nicht verschieben können. Aber er besteht darauf, dass sie morgen stattfindet."
    "Und warum?", fragte Julia.
    "Schau mich doch an, Kind!", rief die Gräfin aus. "Siehst du denn nicht, wie mich das alles mitnimmt?"
    "Du siehst aus wie immer", erwiderte Julia.
    Die Gräfin fuhr aus dem Sessel auf und sprang mit einem Satz auf Julia zu. "Ich werde es nicht noch einmal sagen, Julia. Schau mich an!"
    Julia zitterte, als sie den Blick hob und ihre Mutter genauer betrachtete. Die Gräfin sah tatsächlich anders aus als gewöhnlich. Ihre Gesichtshaut schien Risse zu bekommen, und ihre Augen leuchteten nicht mehr so rot wie noch am Vortag.
    "Dann stimmt es also", murmelte Julia und berührte die rissigen Wangen ihrer Mutter. "Nur Menschenblut gibt Vampiren ihre besondere Kraft. Aber bedeutet das, du musst..."
    "Sterben? Nein. Unsterblich sind und bleiben wir. Aber ohne Menschenblut werden wir immer schwächer und können unseren angestammten Besitz nicht mehr verteidigen - dieses Schloss, unsere Ländereien, unsere Reichtümer, einfach alles, was uns lieb und teuer ist. Und deswegen muss dieser Friedensvertrag möglichst bald annulliert werden." Die letzten Worte sprach die Gräfin mit großem Nachdruck.
    "Aber ich verstehe immer noch nicht, was das mit Graf Paris und mir zu tun hat."
    Die Gräfin seufzte ungehalten. "Wir vermuten, dass Graf Paris sich Frauen hält, die er umgedreht hat. Er saugt sie an und flößt ihnen dann etwas von seinem eigenen Blut ein, um sie auf diese Weise zu Vampiren zu machen. Je mehr Vampire dieser Art es gibt, desto größer die Konkurrenz. Und damit meine ich nicht nur den Kampf um unsere immer knapper werdende Hauptnahrungsquelle - das Menschenblut -, sondern auch Konkurrenz in Bezug auf Status, Einfluss und Macht. Letzten Endes geht es also darum, wer hier in der Walachei und schließlich in ganz Transsilvanien die Herrschaft ausübt."
    Julia begriff, dass sie die ganze Zeit über richtiggelegen hatte: Ihren Eltern ging es nicht nur ums Überleben, sondern

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