Dein ist das Leid (German Edition)
Gatte wäre durch die anderen Kinder immer noch an seine Frau gebunden. Aber bei einem Einzelkind, noch dazu bei einem Sohn? Mit einer solchen Nummer hätte diese Catherine ihre Ehe aufs Spiel gesetzt.“
„Können wir sicher sein, dass Clifford Mercer nicht adoptiert worden ist?“, fragte Claire. „Oder sollen wir einfach annehmen, dass Catherine eine Affäre mit Lyle Fenton hatte?“
„Tut mir leid, deiner naiven Gutgläubigkeit einen Dämpfer versetzen zu müssen, Claire-voyant, aber die hatten jahrelang eine heiße Sache am Laufen“, teilte Ryan ihr mit. „Ich habe mit ein paar von Catherines alten Freundinnen gesprochen. Anfangs waren sie ziemlich zurückhaltend. Aber ich habe sie schließlich dazu gebracht, mit mir zu reden.“
„Wie hast du denn das geschafft?“, wollte Claire wissen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie an einem Tauschgeschäft interessiert waren – deine alten Supermann-Hefte gegen ein bisschen Klatsch.“
„Nee. Für Tauschgeschäfte bestand gar kein Anlass.“ Ryan war nicht verärgert, eher amüsiert. „Ich musste nur ein bisschen Finesse einsetzen. Hab ihnen erzählt, ich würde für den Abgeordneten Mercer arbeiten und hätte den Auftrag, den guten Namen seiner Mutter zu schützen, damit seine politische Zukunft keinen Schaden nehmen kann. Ich bat sie, mir zu erzählen, was sie über die Affäre wussten, damit ich eventuelle Gerüchte aus dem Weg räumen kann. Als loyale Freundinnen waren sie dazu natürlich bereit.“
„Und was ist mit Warren Mercer?“, wollte Claire wissen. „Haben sie gesagt, ob er Bescheid wusste? Oder ahnt er nach all diesen Jahrenimmer noch nichts? Ist er überhaupt noch am Leben?“
„Der ist putzmunter“, versicherte Ryan ihr. „Er war der Anwalt von Lyle Fenton. Die beiden haben auch zusammen Golf gespielt.“
„Haben gespielt?“ Casey war die Vergangenheitsform nicht entgangen.
„Richtig – haben gespielt. Etwa um die Zeit von Catherines Tod ging das alles den Bach runter. Warren Mercer wollte nicht länger Fentons Anwalt sein. Soweit ich feststellen konnte, hatten sie danach weder geschäftlich noch privat miteinander zu tun.“
„Das riecht nach einem Geständnis auf dem Sterbebett“, mutmaßte Marc. „Wahrscheinlich wollte Catherine ihr Gewissen erleichtern. Ihr Sohn war bereits ein erwachsener Mann, um den sie sich keine Sorgen mehr zu machen brauchte. Sie hatte wohl Grund zu der Annahme, dass ihr Mann den Kontakt zu Cliff nicht abbrechen würde, nicht, nachdem er mehr als vierzig Jahre lang sein Vater gewesen war.“
„Das denke ich auch.“ Casey hatte immer noch die Brauen zusammengezogen. „Die Frage ist, ab wann wusste Fenton Bescheid? Hat sie es ihm auch erst auf dem Sterbebett gebeichtet? Oder wusste er es schon vorher? Clifford Mercer hat ihm bestimmt nichts davon gesagt. Als seine Mutter starb, war er bereits ein Mann von einigem politischen Gewicht. Dass jemand wie Fenton auf diese Weise Macht über ihn bekam, wäre das Letzte gewesen, was er wollte. Nein, ich schätze, Fenton wusste längst Bescheid. Aber seit wann?“
„Wenn du wissen willst, was mein Bauchgefühl mir sagt“, erwiderte Marc, „dann schon seit Langem. Vielleicht wusste er es schon, bevor Cliff überhaupt auf die Welt kam. Wir reden hier von einem mit allen Wassern gewaschenen Kerl. Und betrachtet man den Zeitraum der Affäre, musste er zumindest vermuten, dass er Cliffords Vater sein könnte. Auf der anderen Seite, falls Catherine ihm versichert haben sollte, das Kind wäre doch von ihrem Mann, ist Fenton wahrscheinlich ein Stein vom Herzen gefallen. Fenton ist alles Mögliche, aber ganz sicher kein Familienmensch.“
„Dem kann ich nur zustimmen“, meldete sich Patrick zum ersten Mal. „Ich habe die beiden bei ihrem Mittagessen beobachtet. Dass sie in der Öffentlichkeit förmlich miteinander umgehen, kann Tarnung sein. Aber da war überhaupt keine Vater-Sohn-Beziehung erkennbar. Gerade bei persönlichen Belangen waren sie besonders distanziert. Fenton erkundigte sich nach den Zwillingen ganz so, wie man haltder Höflichkeit halber nach den Nachbarskindern fragt. Aber er war viel interessierter am Geschäftlichen als an der Familie. Außer als es um Justin ging. Dann hatte er nur noch eins im Kopf. Er hat Mercer ja praktisch gezwungen, sich testen zu lassen.“
„Weil Justin für ihn die Zukunft bedeutet“, ergänzte Casey. „Ein neues Leben, wie ein weißes Blatt Papier, das darauf wartet, dass jemand etwas daraufschreibt.
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