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zahlen. Je mehr »Nachahmer« ein Geistlicher hat, desto höher ist sein Rang und desto voller seine Kasse: vom einfachen Modschtahed über den Hodschatoleslam, den Ajatollah zum GroÃajatollah bis hin zum Mardscha-e taqlid, der »Quelle der Nachahmung«, von der es in den meisten Zeiten nur einen gibt, oft auch keinen. Die Hierarchie entsteht also basisdemokratisch und ohne jeden institutionellen Rahmen, ohne ein schriftlich festgelegtes Verfahren, ohne formale Abstimmungen, ohne Statuten und ohne bis in die Einzelheiten erklärbar zu sein. Einzelne Anhänger, Schüler und Kollegen beginnen, einen allseits anerkannten, hochbetagten Gelehrten GroÃajatollah zu nennen. Setzt sich die Anrede durch, ist er es. Eine Ernennung findet nicht statt, und der Versuch des Staates, den Aufstieg eines miÃliebigen Gelehrten zum Beispiel dadurch zu verhindern, daà die offiziellen Medien den neuen Titel ignorieren oder sogar einen niedrigen Rang behaupten, hat fast immer den gegenteiligen Effekt. So stieg auch Milani erst zum GroÃajatollah auf, als der Staat ihn nach dem Sturz Mossadeghs zu drangsalieren begann. Infolge der Revolution von 1979 versuchte der Staat, der nun als Theokratie auftrat, die Geistlichkeit zu verkirchlichen, wie GroÃvater es sich ja eigentlich gewünscht hatte, also klar umrissene Hierarchien, Berufungen, Kontrollen, Sanktionen, Lehrpläne, Etats, Gehälter, Budgets und Organisationsformen zu etablieren, damit sie politisch zugleich herrschen konnte und beherrschbar wurde. Beispielsweise war es der Staat, der den jetzigen Revolutionsführer nach dem Tod Ajatollah Chomeinis über Nacht zum Ajatollah erklärte, obwohl er nicht einmal die übliche Lehrschrift vorwies, die als Mindestqualifikation gilt. Eine solche Berufung von oben widersprach den Gepflogenheiten und stieà innerhalb des Klerus auf Unmut, der bis heute anhält. Als der Revolutionsführer 1994 auch noch den Rang des GroÃajatollahs überspringen und gleich zum Mardscha-e taqlid ausgerufen werden wollte, scheiterte er am Widerstand Ghoms. So nimmt der politisch herrschende Rechtsgelehrte der Islamischen Republik innerhalb der theologischen Hierarchie nur einen mittleren Rang ein und muà er Allianzen mit Kräften auÃerhalb der Geistlichkeit bilden, vor allem mit den Revolutionsgarden und dem Geheimdienst â das wiederum führt zu einer schleichenden Entmachtung des Klerus, die in dem System der klerikalen Herrschaft selbst angelegt ist. Diese und viele andere Paradoxien der Islamischen Republik erklären sich dadurch, daà eine Institution, deren ganze Gestalt, Finanzierung und Ausrichtung sich in der Unabhängigkeit vom weltlichen Staat herausgebildet hat, selbst zum Staat wurde, auf den sie seine Strukturen übertrug. Die zahlreichen Machtzentren, die Schattenwirtschaften, Parallelregierungen, informellen Entscheidungsfindungen und heftigen Konflikte innerhalb des Staatsapparats verwirren nicht nur auswärtige Beobachter, sondern auch die meisten Iraner. So wie heute, war auch 1963 das höchste theologische Amt der schiitischen Welt verwaist. GroÃajatollah Milani galt zusammen mit zwei weiteren Gelehrten als Anwärter auf die MardschaÃyat und somit als Primus inter pares. Sein Haus war nicht zu verfehlen, da sich die Schlange der Besucher aus der Gasse hinaus bis auf die HauptstraÃe zog. Viele wollten nur gemeinsam mit ihm beten; die anderen wurden zur General- oder zur Privataudienz vorgelassen, sofern seine Schüler die Angelegenheit als dringlich genug einstuften. Einer dieser Schüler war dreiundzwanzigjährig der heutige Revolutionsführer, der sich durchaus im Haus aufgehalten haben könnte, als GroÃvater an der Schlange vorbei zum Tor ging und den Namen eines Bekannten aus Isfahan nannte.
Als der Bekannte am Tor erscheint, läÃt er den Gläubigen, der aus dem Land der Franken zurückgekehrt ist, sofort in den Hof treten. Durch das Haus, in dem die Bittsteller und Ratsuchenden Schulter an Schulter auf den Teppichen sitzen, wird der Gläubige in die erste Etage geführt, wo ihn GroÃajatollah Seyyed Mohammad Hadi Milani in einem kleinen Zimmer mit kahlen Wänden empfängt. Der Gläubige küÃt dem GroÃajatollah die Hand und setzt sich neben ihn auf den Teppich. Als das BegrüÃungsritual beendet, die wechselseitigen Erkundigungen nach dem Befinden eingeholt und die GrüÃe von allen möglichen
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