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er mit dem Roman fortfährt, den er schreibt. Der jüngere Kollege wäre schon froh, doch erst den Komet lesen zu können, bevor er mit dem Leben seines GroÃvaters fortfährt. Aber selbst der berühmte Schriftsteller kämpft gegen Windmühlen an.
Die Manie Peter Kurzecks, eines klein geratenen, stolz gebückten Mannes mit grauen Haaren und einem Schnurrbart, der schmal geschnitten ist wie in einem amerikanischen Gangsterfilm, die Manie, seit vier oder fünf Romanen und mindestens in den nächsten sechs oder sieben Romanen über dieselben zwei, drei Monate im Herbst 1984 zu schreiben, über dieselben täglichen Gänge mit seiner Tochter, über dieselben müden Kämpfe mit seiner ehemaligen Frau, über dieselben Geldnöte, widerlegt und bestätigt den Papst, insofern auch das Belanglose durch die Wiederholung groà werden kann beziehungsweise es nichts Belangloses gibt, sondern nur mangelnde Achtung. Wenn nicht die Bemerkung des Anwalts, müÃte das Geständnis des Scheichs Nadjafi doch von Belang sein, wenigstens für einen Iranisten mit dem Schwerpunkt auf moderner Sozialgeschichte. Daà ein GroÃgrundbesitzer sein Land noch nie mit eigenen Augen sah, scheint für die damaligen Verhältnisse typisch gewesen zu sein; zumindest war GroÃvater davon weniger überrascht als vom Gegenbesuch des Scheichs, der sich an der Tür weigerte, in den Salon zu gehen oder einen Tee zu trinken, bevor GroÃvater zusammen mit der Entschuldigung auch das Geld annahm, das der Prozeà gekostet hatte. Daà sie ihre Irrtümer zugeben, sei das Kennzeichen der Weisen, schreibt er und hofft, daà ihm das Verhalten des Scheichs eine Lehre sei. Oder wie der gepriesene Jean Paul sagt: »Der Mensch ist nie so schön, als wenn er um Verzeihung bittet.« Ja, ich als Enkel glaube sagen zu können, daà GroÃvater sich häufig genug für seine Fehler entschuldigte. Zehn Jahre später, 1941, kam er auf dem Rückweg nach Isfahan nachts mit seinem Motorrad von der unbefestigten StraÃe ab und stürzte schwer, doch erhielt ich einen Anruf von jemanden, der mich sofort treffen möchte, und wenn einem seine Geschäfte so wichtig sind, daà er nachts dafür durch halb Köln radelt, wo immer weniger StraÃen befestigt sind, werde ich die Gelegenheit nicht auslassen, nach langer Zeit wieder einen mäÃigen Tag an der Theke zu beenden, an der man sich lustigere Anekdoten erzählt als GroÃvater in seiner Selberlebensbeschreibung. Moment, eine gelingt noch am Schreibtisch: Ein Autofahrer, der ihn am Wegrand mit gebrochenen Knochen und blutverschmiertem Schädel aufliest, setzt den Gutsherrn vor dem Apostolischen Krankenhaus ab, wo ihn eine weibliche Stimme auffordert, sich morgen früh wieder einzufinden, und alles Flehen ignoriert, das Tor zu öffnen. Der Gutsherr will sich zum Avicenna-Krankenhaus schleppen, das ebenfalls in seiner Nachbarschaft am Teheraner Tor liegt, verliert die Orientierung, die Kraft schwindet, der Schmerz so unerträglich, daà er schreien möchte, alle Menschen der Welt aufwecken, aber er wimmert nur, und niemand hört ihn, weil niemand in den StraÃen ist, die noch keine Laternen haben, auch keine Orte, zu denen jemand 1941 in Isfahan um diese Uhrzeit noch gehen, fahren, reiten könnte. Wo ist er? Weshalb erkennt er die Häuser nicht wieder? Kalter Schweià bricht ihm aus, er zittert, die Knie knicken ein, so daà er sich setzen muÃ, irgendwo setzen und vor Schmerz und Erschöpfung heulen. Ein paar hundert Meter entfernt von seinem Haus entfernt sitzt der Gutsherr auf dem Boden einer staubigen Gasse, den Rücken an eine Lehmwand gelehnt, und schmeckt den Rotz und die Tränen, die in seinen Mund flieÃen. Wie lange diese Besinnungslosigkeit anhält, wird er später nicht einmal vermuten können, die Erinnerung erst dort wieder einsetzen, als es ihm mit dem bewährten Mantra »Wir sind Gottes, und zu Ihm kehren wir zurück« auf den Lippen gelingt, einen Gedanken zu fassen. »Wenn niemand da ist, ist Gott doch da«, redet er sich ein, immer wieder, bis es zum Gebet wird: »Wenn niemand da ist, ist Gott doch da!« Dann richtet er sich auf, schaut sich um und entdeckt, daà er genau unter dem Türschild seines Hausarztes und Freundes Doktor Riahi sitzt. Die Tür öffnet sich, und jemand zieht den Gutsherrn ins Haus, er merkt nicht wer, er merkt nicht
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