Dein Name
heute begonnen, je nachdem, wie der Befund ausfiel. Der iranische Islam begann, von Beispielen zu sprechen, bei denen selbst fortgeschrittener Krebs besiegt worden sei. Ach, du weiÃt ja die Einzelheiten nicht, unterbrach ihn der Bildhauer.
Um kurz nach zehn benachrichtigte die Frau ihn, als er sich gerade eine Kinokarte gekauft hatte. Es sei nicht so schlimm, gefährlich oder wie immer sie es nannte, damit er nicht in Panik geriet. Ist gut, ist gut, wimmelte er sie ab und rief sofort die Mutter in Spanien an, die nach dreiÃig Minuten immer noch nicht mahnte, daà ein Auslandsgespräch mit dem Handy so teuer sei. Freitag oder Samstag schon mit Blaulicht abgeholt, diagnostizierten die Ãrzte eine Blutung, die vermutlich eine sofortige Operation erzwinge. Festlegen wollten sie sich jedoch erst nach der Endoskopie, für die das Gerät fehlte, so daà der Vater in die Provinzstadt verlegt wurde. Nicht um Geld zu sparen flehte die Mutter das Personal an, ihn im Krankenwagen begleiten zu dürfen. Der Vater weinte, als die Tür sich schloÃ. Die Mutter fuhr im Taxi hinterher. Zwei Nächte verbrachte sie am Bett des Vaters, ohne den Söhnen Bescheid zu geben. â Du kannst dir nicht vorstellen, wie primitiv die Krankenhäuser hier sind. Zwanzig Patienten auf der Intensivstation, nur getrennt durch Paravents, Schreie, Wimmern, Ãrzte mit sonoren Stimmen, Schwestern, die Pause machen, grelles Licht die ganze Nacht. Die Endoskopie ergab, daà der Vater nur ein Loch im Magen hatte, das zu schlieÃen es keiner Operation bedurfte. Ein Loch? So hat es die Mutter auf spanisch verstanden. Aber was, wenn die Mutter dem Sohn etwas verschwieg, damit er sich nicht ins erstbeste Flugzeug setzt? Angerufen hat sie erst heute, als es dem Vater schon besserging. Der Flug hätte bestimmt eine Unsumme gekostet, verteidigte sie sich. 1:41 Uhr auf dem Handy am Tag der Deutschen Einheit.
11:41 Uhr. In der Nacht träumte der Internist, daà der Vater sterbe. Die Nachricht, daà der Vater auf der Intensivstation liegt, erreichte ihn jedoch erst am Morgen. Der Orthopäde, über dessen Gelassenheit sich der Jüngste zunächst aufgeregt hatte, klang nach dem Telefonat mit einer Krankenschwester bedrückt, obwohl es dem Vater den Umständen entsprechend gutgehe, wie man wahrscheinlich auch auf spanisch sagt. Die Dame in der Notrufzentrale in Barcelona machte den Brüdern ebenfalls Mut. Bleibt der Vater im Krankenhaus, fliegt der Ãlteste, weil er Arzt ist und spanisch spricht. Wird der Vater entlassen, fliegt der Jüngste, der auf spanisch nur Pablo Neruda versteht, sofern die Ausgabe zweisprachig ist. Die Erkenntnis, daà die vier Brüder Gewehr bei Fuà stehen, ist tröstlicher, als es der Jüngste für möglich gehalten hätte. Sie haben die Verbindung, die alâqeh , hängen aneinander, damit die Kette hält. Das ist wichtiger als dust dâschtan , wie schon GroÃonkel Mohammad Ali wuÃte. Die Mutter hingegen hat am Telefon fast nur ein Thema: daà niemand zu kommen brauche. In der Warteschleife der Notrufzentrale hört der Jüngste »Viva España«. Er hat sich oft beklagt, daà er die meisten Rituale verlernt oder nie gelernt hat, die Halt geben, wenn nichts und niemand ihn hält, die Sprach- und Ratlosigkeit überbrücken. Während er »Viva España« hört, gesteht er sich ein, daà der Roman, den ich schreibe, nichts anderes soll. Der Romanschreiber hat jemanden, den er täglich anredet, mehr oder weniger zu festgelegten Zeiten, keinen Menschen mit eigenen Nöten und notwendig eingeschränkter Einfühlung, sondern jemanden, den er sich gröÃer vorstellen kann. Normalerweise träte er mit dem Hörer am Ohr auf den Balkon und wieder ins Zimmer, ginge auf und ab, setzte sich und stünde wieder auf, solange die Notrufzentrale des Automobilclubs »Viva España« singt. Statt dessen kann er schreiben, was auch immer, Hauptsache, die Zeit vertreiben. Sollte die Stimme in der Notrufzentrale schlechte Neuigkeiten haben, wird es nichts nutzen.
Weit und breit die einzige Uhr ist die des Laptops. Die Notrufzentrale des Automobilclubs hat sich als eine der üblichen Telefonzentralen entpuppt, bei denen im Laufe von fünf Anrufen elf Stimmen nicht die benötigte Auskunft erteilen. Wenigstens versprach die zwölfte Stimmung Besserung für heute und meinte damit nicht den Zustand des Vaters. Sie sei
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