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Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)

Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)

Titel: Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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einer Handvoll Blätter machte sie es sich auf der Couch gemütlich. Sie mochte Derrs Stil, der gelegentlich ein wenig langatmig wirkte, dabei aber in die Tiefe ging und die Gefühle und Motive seiner Protagonisten behutsam auslotete. Sie bewunderte ihn für seine Art, in ihre Seelen zu blicken, meist einfühlsam und vorsichtig sezierend, manchmal allerdings auch mit einer schockierenden Offenheit, die an Brutalität grenzte. Clara war auf das neue Projekt gespannt und fühlte sich beinahe geehrt, dass sie den Autor auf dem Weg begleiten durfte, der zurückgelegt werden musste, bis aus einer Idee ein Roman geworde n w ar.
    Vom Schweigen der Fische. So lautete der Arbeitstitel.
    Unwillkürlich sah Clara Hannes vor sich. Still war er von jeher gewesen, doch in den letzten Monaten, als alles den Bach hinunterging und sie nichts davon mitbekommen hatte, war er völlig verstummt. Floskeln hatten sie getauscht, sich kaum noch gesehen. Er immer im Labor. So viel Arbeit, hatte sie gedacht. Doch es war die Angst vor dem drohenden Konkurs gewesen, die ihn dort festhielt. Zunächst die Angst. Dann Tanja, seine einzige verbliebene Angestellte. Mitte zwanzig, voller Leidenschaft, Zuversicht und Hoffnung. Sie himmelte ihn an, während sie, Clara, nur noch meckerte, weil sie sich kaum noch sahen, sich über Mahnungen wunderte, Fragen stellte, sein Gebäude aus Schweigen schließlich zum Einsturz brachte und ihre Ehe in einen Abgrund katapultierte.
    Vom Schweigen der Fische. Wie sollte man auch unter Wasser eine Unterhaltung führen? Und wie unter Wasser hatte sie sich damals gefühlt. Schöner Titel, dachte Clara. Ohne auch nur ein Wort gelesen zu haben, konnte sie spüren, worum die Handlung sich drehen würde. Thore Derr blieb seinem Thema treu. Scheiternde Beziehungen.
    Sie vertiefte sich ins Exposé. Der Bildhauer Adrian Strehl und die Malerin Clarissa Opp sind seit fünfzehn Jahren ein Paar. Das Fundament ihrer Ehe besteht aus Freundschaft, Liebe und Vertrauen. Als Künstler schlagen sie sich mehr schlecht als recht durchs Leben. Beide haben Brotberufe. Er fährt Taxi. Sie arbeitet Teilzeit in einer Fabrik. Er ist ein sensibler und in sich gekehrter Mensch, der sich schwertut, Gefühle in Worte zu fassen. Sein Ausdrucksmittel ist die Form. Clarissa hingegen ist von explosiver Extrovertiertheit, die auch ihre Malerei kennzeichnet. Mit einer Ausstellung in einer Düsseldorfer Galerie beginnt ihr künstlerischer Erfolg. Ein Kunstmagazin widmet ihr eine Reportage, ein Preis wird ihr verliehen, die Bilder beginnen sich gut zu verkaufen. Clarissa gibt den Job in der Fabrik auf, malt wie besessen.
    Adrian verkraftet Clarissas Erfolg nicht. Er steht in der Mitte seines Lebens und noch immer am selben Fleck wie vor zwanzig Jahren. Das heraufziehende Alter, seine künstlerische Erfolglosigkeit, der Konkurrenzkampf mit Clarissa, in den er sich plötzlich verstrickt sieht, all das verändert seine Gefühle zu ihr. Aus Liebe wird Neid. Er beginnt, sie zu bestrafen. Während sich bei ihr Erfolg auf Erfolg häuft, jagt Adrian von einer Affäre zur nächsten. Clarissa leidet, bis sie Adrian die Waffe aus der Hand nimmt, mit der er sie quält: Sie legt sich einen Liebhaber zu, vergilt es ihm mit gleicher Münze. Längst sind die beiden in einem destruktiven Prozess gefangen, aus dem es kein Entrinnen gibt.
    Starker Stoff. Clara legte das Exposé beiseite. Das Ende hatte Derr offengelassen. Worauf er wohl hinauswollte? Wie würde er diese Beziehung enden lassen? Vielleicht in einem Mord oder Selbstmord? Oder erweitertem Suizid? Jedenfalls in Gewalt. Das glaubte Clara herauszulesen. Möglich war auch, dass Derr sich selbst noch nicht bewusst war, wohin ihn diese Reise führen würde. Welcher Prämisse er wohl folgte? Neid zerfrisst alles. Freundschaft, Liebe, Vertrauen und am Ende den Neider selbst. War es das, was er beweisen wollte? Im Exposé schwang ein Grundton von Unausweichlichkeit mit, also kein versöhnliches Ende. Vermutlich nicht.
    Clara reckte sich und stand auf. Zeit, sich Derr vorzustellen. Anrufen oder eine Mail? Doch ein Anruf wäre zu überfallartig.
    Sie setzte sich an den PC und suchte aus den Kontaktdaten, die sie vom Verlag bekommen hatte, Derrs Mailadresse heraus.
    Lieber Herr Derr,
    wie Sie schon von Sandra Stock erfahren haben, werde ich Ihr Projekt »Vom Schweigen der Fische« von Verlagsseite her betreuen.
    Mit großem Vergnügen habe ich eben das Exposé gelesen. Die angerissene Geschichte ist faszinierend, das Thema

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