Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
Pflegeheim. Allerdings wollte er nicht, dass Achim sich einmischte. Clara sollte sich um alles kümmern.
Der offizielle Beschluss lag kurze Zeit später im Briefkasten. Clara fand ihn, als sie von einem Termin im Verlag nach Hause kam. Sie legte das Schreiben neben die Tastatur und setzte sich an die Arbeit. Als sie die Datei des historischen Romans öffnete, trieb das Problem wieder an die Oberfläche, das sie seit Tagen vor sich herschob. Thore Derr hatte sich nicht gemeldet, seit sie seine unverschämte Mail so harsch beantwortet hatte. Sollte sie warten, bis er sich rührte und ihr mitzuteilen gedachte, wie er sich die Zusammenarbeit vorstellte? Oder sollte sie nachhaken?
Während sie darüber nachdachte, bemerkte sie, dass der Anrufbeantworter blinkte. Ein Anruf von Achim. »Hallo Clara, wenn du daheim bist, dann geh doch bitte ans Telefon. Keine Sorge. Ich will mich entschuldigen.« Es folgte eine Pause. »Du bist also wirklich nicht da. Schade. Es tut mir leid, dass ich dich neulich so angefahren habe.« Er klang zerknirscht. »Natürlich soll Paps bestmöglich versorgt werden, und wenn es nun mal eine Privatpflegerin sein muss, warum auch nicht? Ich bin dir dankbar, dass du dich so rührend um ihn kümmerst. Wenn ich wieder in München bin, schaue ich bei euch vorbei.« Es folgte ein Räuspern. »Sag mal, diese Betreuungsgeschichte … Kennst du den aktuellen Stand? Da sollte langsam eine Entscheidung fallen. Wie gesagt, ich würde das gerne machen. Du auch, wie ich gehört habe. Wir könnten uns die einzelnen Bereiche teilen. Du die Sachen, die nur vor Ort zu erledigen sind, und ich den Rest. Was hältst du davon? Sag Bescheid, ja? Mach’s gut und bitte nicht mehr böse sein.«
Clara war über die Entschuldigung erleichtert. Dieser Streit hatte ihr im Magen gelegen. Trotzdem wunderte sie sich, dass Achim die Betreuung übernehmen wollte. Er und Paps hatten nie ein enges Verhältnis gehabt.
Übermorgen wurde ihr Vater entlassen. Es war Zeit, die Agentur zu informieren. Krystynas Einsatz konnte beginnen. Sie musste sich auf den Weg machen. Kurz vor zwei beendete sie das Telefonat. Um zwei öffnete die Bank.
Ein paar Minuten später betrat Clara die Geschäftsräume. Wie neulich stand das Kind lächelnd hinter dem Schalter. Am Anzugrevers steckte ein Namensschild. Benjamin Meyer.
Clara legte das Schreiben des Gerichts vor und ließ sich die Auszüge des ominösen Kontos ausdrucken, zu dem Paps keine Unterlagen hatte. »Bitte.« Benjamin Meyer reichte ihr den Ausdruck über den Schalter. Am 12 . Mai waren beide Zahlungseingänge verbucht worden. Insgesamt 105 000 Euro. Doch am selben Tag gab es eine Überweisung in Höhe von 104 900 Euro. Paps hatte sich das Geld selbst überwiesen, und zwar auf ein weiteres Konto. Er hatte also noch ein drittes eingerichtet. An diesem Tag musste er total neben der Spur gewesen sein. Hatte das denn niemand bemerkt! Clara zwang sich zur Ruhe und schob das Blatt über die Theke. »Können Sie mir von diesem Konto Ausdrucke machen?«
»Tut mir leid. Das wird nicht bei uns geführt.«
»Sondern wo?«
»Die IBAN sieht nach Großbritannien aus.« Ein paar Klicks später lächelte Benjamin wieder. Das lernten sie sicher während der Ausbildung. Montag, erste Stunde: unverbindlich lächeln. »Eine Online-Bank in England. Smile.«
»Wie bitte?« Clara hätte beinahe gelacht.
»So heißt die Bank. Wie gesagt, Online-Banking.«
Panik wollte in Clara aufsteigen. Sie musste das Geld aufstöbern. »Können Sie mir die Kontaktdaten dieser Bank geben?«
»Gehen Sie einfach ins Internet. Smile.co.uk. Ich schreibe es Ihnen auf.«
Der Pflegevertrag war unterzeichnet. Bald musste sie die erste Rechnung bezahlen. Wie sollte das gehen, wenn sie bis dahin das Geld nicht aus England zurückgeholt hatte? Dann musste sie eben ein paar von den Münzen verkaufen. Ein heißer Schreck durchfuhr sie. Hoffentlich hatte Paps damit nicht auch Unfug gemacht.
Benjamin reichte ihr den Zettel mit der Webadresse. »Bitte.«
»Ich würde noch gerne zu den Schließfächern.«
Clara wurde von ihm die Treppe hinunter zu den Schließfächern begleitet und allein gelassen. Der Schlüssel für das Fach befand sich seit einem halben Jahr an ihrem Schlüsselbund. Paps hatte ihn ihr aufgedrängt, aus Sorge, er könnte ihn verlieren oder jemand könnte ihn stehlen. Von der Existenz dieses Fachs wusste sie seit ihrer Kindheit. Ihr Vater hatte vor über vierzig Jahren eine kleine Erbschaft in Krügerrandmünzen
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