Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
angelegt und bewahrte sie hier auf. Viele konnten es nicht sein. Vielleicht fünfzig oder sechzig Stück. Clara zog die Kassette hervor und ließ sie beinahe fallen, so unerwartet schwer war sie. Sie trug sie zu einem der Tische, hob den Deckel ab und fühlte sich wie ein Kind, das einen Schatz gefunden hat. Funkelnd lagen die Goldmünzen in ihren durchsichtigen Hüllen. Es waren viele. Sie zählte nach. Zweihundertachtzig. Kurz entschlossen nahm sie eine heraus, verstaute den Rest im Schließfach und ging nach oben. Benjamin Meyer zauberte sein Kundenberaterlächeln aufs Gesicht.
»Was bekomme ich, wenn ich diese Münze verkaufe?«
»Ich muss nachsehen.« Wieder tippte er etwas in den Computer. »Der aktuelle Kurs kann sich sehen lassen. Wollen Sie die wirklich verkaufen? Der Goldpreis steigt gerade wieder. Da ist noch mehr drin.«
»Ich wollte nur den Preis wissen.« Clara brachte die Münze zurück und überschlug auf dem Heimweg den aktuellen Wert der Krügerrand. Fast dreihunderttausend. Mit Paps’ Schatz ließ sich die Pflege finanzieren, bis er hundert war. Doch bevor sie etwas davon verkaufte, musste sie das Geld in England aufspüren. Wie war er nur auf die verrückte Idee gekommen, ein Online-Konto zu eröffnen?
Zurück in seiner Wohnung, startete sie den PC . Doch sie fand weder einen Ordner noch eine Datei oder Mail, die auf ein Konto in England hinwiesen. Schließlich ging sie auf die Webseite der Bank. Leider gab es keinen deutschsprachigen Kundenservice, und ihr Englisch war zu eingerostet, um diesen komplexen Sachverhalt zu schildern. Achim musste ihr helfen. Schließlich war er Anlageberater und Vermögensverwalter. Er kannte sich in der Welt des Geldes aus.
Sie kehrte in ihre Werkstatt zurück und rief ihn an.
»Hallo Clara, schön, dass du dich meldest. Hoffentlich bist du nicht noch wütend auf mich.«
»Das war ich nie, und nun hast du dich entschuldigt. Alles ist in Ordnung.«
»Ich hatte Stress mit einem Kunden und habe das an dir ausgelassen. Es tut mir wirklich leid.«
Er fragte, wie es um die Betreuung stand. Der Brief vom Amtsgericht war also noch nicht bei ihm eingetroffen. Sie erzählte ihm, wie die Entscheidung ausgefallen war. Für einen Augenblick herrschte Schweigen am Telefon. Achim war enttäuscht und vermutlich auch sauer. Das merkte sie an seiner knappen Art, mit der er diese Nachricht schließlich kommentierte. »Na gut. Wenn Paps meine Hilfe nicht will. Muss mir recht sein.«
»Ich könnte sie allerdings brauchen.« Clara schilderte ihm das Problem mit dem Online-Konto. »Kannst du das Geld zurückholen? Mein Englisch ist dafür nicht ausreichend.«
»Natürlich. Ich brauche die Kontodaten und eine Vollmacht von dir. Telefonisch werde ich nämlich nichts erfahren.«
15
Um halb elf kam Clara mit ihrem Vater nach Hause. Für die Strecke, die man normalerweise zu Fuß gemütlich in zwanzig Minuten gehen konnte, hatte sie ein Taxi genommen. Paps war für einen Spaziergang zu wacklig auf den Beinen. Er war nur zehn Tage im Krankenhaus gewesen. Doch in dieser Zeit hatte er sich sehr verändert. Mit einem Mal wirkte er wie ein Greis. Mit unsicheren Schritten ging er durch den Flur. Abgenommen hatte er auch. Die Hose schlackerte um die dünnen Beine. Das Hemd war am Kragen zu weit geworden. »Ist das schön, wieder daheim zu sein.« Er stieß einen tiefen Seufzer aus und sah sich um. »Wo ist Elli denn? Warum hat sie mich nicht abgeholt?«
Es war besser, ihn nicht daran zu erinnern, dass sie tot war. Er regte sich sonst nur auf und würde es ohnehin gleich wieder vergessen. »Sie wird einkaufen sein.«
»Dann lese ich Zeitung, bis sie kommt.« Paps tappte ins Wohnzimmer. Sie half ihm in den Sessel.
Franzi holte Krystyna vom Zentralen Omnibusbahnhof ab. In einer halben Stunde würden die beiden hier sein. Im Gästezimmer bezog Clara rasch noch das Bett. Nach einer Nacht im Bus war Krystyna sicher gerädert und hundemüde. Sie sollte sich erst einmal ausruhen, bevor sie ihren Job antrat.
Schließlich saugte sie noch kurz durch und holte im Bad die Wäsche aus dem Trockner, die sie gestern hineingesteckt hatte. Paps kam in den Flur und fragte, was der Wirbel sollte, ob Weihnachten sei oder Geburtstag und warum Mutter nicht putzte, sondern Clara, was hier los wäre, verdammt noch mal. Die Unruhe verwirrte ihn. Clara setzte ihn mit seinen Patiencekarten an den Tisch, wo sie ihn weinend antraf, als sie das nächste Mal nach ihm sah. »Ich werde so dumm. Mein Verstand lässt
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