Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
mit Dorothee in der Küche beim Frühstück saß und fingerdick Nutella auf eine Semmel strich. Kirsten verkniff sich jeden Kommentar über gesunde Ernährung. Gott sei Dank schien Kathi die Situation zu akzeptieren. Sie wollte ihr über den Kopf streichen, doch ihre Tochter wich aus. Geduld war gefragt. »Bis heute Abend, und viel Spaß mit Xenia. Ich muss los.«
»Leute erschießen.«
Das saß. Kirsten gelang es kaum, die Fassung zu bewahren. »Ich habe Glück gehabt und musste noch nie auf jemanden schießen.«
»Du lügst.«
»Das ist die Wahrheit. Wir können heute Abend darüber sprechen.«
»Ich glaube dir kein Wort!«
Das Handy in der Jackentasche begann zu vibrieren. Hannelore! Zum dreihundertsten Mal! Sie drückte das Gespräch weg. Wie gut, dass sie ihren Schwiegereltern die WG -Adresse nicht mitgeteilt hatte. Vermutlich standen sie vor dem Apartment am Mangfallplatz und klingelten Sturm.
»Wir reden heute Abend!«
Mit einem Mal hatte sie das alles satt. Sie fühlte sich wie ausgekotzt. Der Streit ums Kind war längst nicht beigelegt. Er ging in die nächste Runde. Kurioserweise nicht mit dem ehemaligen Ehepartner, sondern mit den Schwiegereltern. Eigentlich ein Witz!
Bevor sie die Wohnung verließ, steckte sie Kathis Handy ein. Sie hatte es ihr gestern aus dem Rucksack stibitzt, während Kathi glaubte, dass sie es im Internat vergessen hatte. Nicht schön. Aber nicht zu ändern, sonst würden Hannelore und Rüdiger sie ständig anrufen. Falls Kathi allerdings Kontakt zu den beiden aufnehmen wollte, würde sie das tun. Da machte Kirsten sich nichts vor. Und ewig konnte sie das Handy nicht behalten. Sie musste sich etwas einfallen lassen.
Im Wagen zog sie ihres aus der Tasche. Ein Dutzend Nachrichten waren seit gestern auf der Mailbox eingegangen. Sie ignorierte sie und rief den Pflegedienst an der Praterinsel an. Wie erwartet meldete sich ein Band mit einer Nummer, die man in Notfällen anrufen sollte. Kirsten kritzelte sie auf ihren Block und wählte sie. Die Inhaberin des Pflegediensts meldete sich.
»Kirsten Tessmann, Kripo München.«
»Ich hab es schon gehört. Meine Mitarbeiterin, die heute Morgen zu ihm sollte, hat angerufen. Der alte Kubisch. Ermordet. Von diesem Wahnsinnigen. Schrecklich.«
»Wer war gestern Abend bei ihm?«
»Die Petra Melzner.«
»Wo finde ich sie?«
»Sie hat heute frei. Ich suche Ihnen die Adresse raus.«
Zwanzig Minuten später, es war kurz vor acht, stoppte Kirsten vor einem Wohnblock in Sendling. Sie musste mehrmals klingeln, bis die Gegensprechanlage rauschte. »Brennt es irgendwo?«
»Tessmann, Kripo München. Ich muss Sie sprechen. Es geht um Ernst Kubisch.« Der Summer ertönte. Zweite Etage links. Die Wohnungstür war angelehnt, davor stand eine Frau mittleren Alters im Hausflur. Die Haare vom Schlaf zerdrückt, die Hände in den Taschen eines weinroten Bademantels vergraben. »Frau Melzner? Kann ich kurz reinkommen?«
»Mein Mann schläft noch. Er wird grantig, wenn er sonntags nicht ausschlafen kann. Ich übrigens auch. Was ist denn mit dem Kubisch?«
»Er ist tot. Wann waren Sie gestern bei ihm?«
Diese Nachricht schien sie nicht sonderlich zu berühren. Petra Melzner fragte nicht nach, was geschehen war. »Wie immer. So um Viertel vor sieben. Seine Tochter war da. Die Franziska. Die Pflegerin hatte wohl frei.«
»War etwas anders als sonst? Haben Sie etwas Ungewöhnliches bemerkt?«
»Ne, alles wie immer: Der alte Herr hat seine Tabletten genommen. Ging diesmal ganz ohne Theater. Das war es schon.«
»Ist Ihnen jemand aufgefallen, als Sie gekommen oder gegangen sind?«
»Ne, da war niemand.« Sie zögerte. »Nur ein Mann vorm Haus. Er stand am Klingelbord und ist reingewitscht, als ich raus bin. Dabei hat er mich angerempelt. Als ich gefragt habe, ob es denn so pressiert, dass er gleich die Leute umrennen muss, ist er einfach weiter. Hat einfach so getan, als hätte er mich nicht gehört.«
»Trug er ein Klemmbrett oder eine Akte?«
»Weiß ich nicht.«
»Wie sah er aus?«
»Mein Gott, normal halt.«
»Dick? Dünn? Groß? Klein? Wie alt?« Kirsten verlor langsam die Geduld.
Petra Melzner legte die Stirn in Falten. »Groß … hager. So ein Sportlertyp … Er trug Joggingklamotten und ein Basecap. Mit Känguru drauf.«
Na, ging doch. »Wie alt etwa?«
»Ich habe ihn ja nur kurz gesehen. Vielleicht vierzig oder fünfundvierzig. Ach! Und er trug ein T-Shirt mit Aufdruck. So ein Spruch war da drauf. Warten Sie mal. Mir ist alles egal.
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