Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
sich. »Okay. Er war da. Sie werden es sowieso herausfinden. Er wollte mit Ernst reden, ob er uns Geld vom Sparbuch leiht oder ein paar von den Münzen gibt.«
»Ein an Alzheimer leidender und unter Betreuung stehender Mann, der keine Verfügungsgewalt mehr über sein Vermögen hat? Das glauben Sie ja wohl selbst nicht«, fuhr Dühnfort sie an. »Für wie dämlich halten Sie mich?«
Sie schreckte zusammen. »Na ja, leihen ist vielleicht … Also gut«, sagte sie trotzig. »Hannes wollte nach dem Schließfachschlüssel suchen. Erst bei Ernst und, falls er da nicht sein sollte, auch bei Clara. Wir wussten ja nicht, wo er ist. Hannes meinte, er muss in der Schreibtischschublade sein oder am Schlüsselbund. Im Schreibtisch wollte ich neulich nachsehen. Diese Krystyna hat mich erwischt und vor die Tür gesetzt, bevor ich richtig gucken konnte. Also wollte Hannes es mal versuchen. Doch Franzi hat ihn ertappt, als er den Schlüsselbund vom Haken genommen hat. Sie hat gleich geschnallt, was läuft, und hat ihn hochkant rausgeworfen. Zu Clara ist er dann nicht mehr rüber. Wir wussten, dass sie nicht daheim ist, weil sie ein Date hatte. Aber Hannes fehlte einfach der Mumm, auch noch bei Clara zu suchen.«
Eine hanebüchene Geschichte. Dühnfort glaubte ihr kein Wort. »Wir machen jetzt unsere Arbeit.«
»Von mir aus können Sie die Wohnung auf den Kopf stellen«, sagte sie patzig. »Das ist ja echt der Witz.«
Kirsten zog Latexhandschuhe über. Dühnfort ebenfalls. »Können Sie uns die Kleidungsstücke geben, die Herr Lenz gestern Abend trug?«
»Die sind noch im Trockner.«
»Sie haben die Sachen gewaschen?«
»Ja. Klar. Hannes hat sich mit Currysoße bekleckert. Das muss man sofort auswaschen. Sonst bekommt man die Flecken nie raus.«
Herrgott! Fasern vom Tatort oder DNA der Opfer hatte der Weiße Riese geholt. Trotzdem ließ Dühnfort sich die Kleidung aushändigen. Vielleicht konnte Buchholz zaubern.
Sie durchsuchten die Wohnung und fanden nichts. Keinen Totschläger. Keine Eisen- oder Bleikugeln. Allerdings Socken mit Rippenstruktur. Doch das bewies nichts. Solche Socken gab es millionenfach, und diese lagen frisch gewaschen in einer Schublade. »Haben die auch Soße abbekommen?«, fragte Kirsten.
»Die habe ich schon letzte Woche gewaschen.«
In einer Ecke des Schlafzimmers stand ein Schreibtisch. Dühnfort sah die Papiere durch, die darauf lagen. Unbezahlte Rechnungen und Mahnungen. Zuunterst ein Schreiben der Hausverwaltung mit der Androhung einer Räumungsklage. Lenz war mit drei Mieten im Rückstand. Die Kontoauszüge zeigten ein Guthaben von ein paar Euro an. Kein Dispo. Der finanzielle Druck war enorm.
Bevor sie gingen, nahm er die Zeitung mit dem Foto von Emily aus der Altpapierkiste. Ein Kaffeebecher hatte einen braunen Rand neben dem Bild hinterlassen. Lenz hatte den Artikel gelesen und dabei Kaffee getrunken. Dühnfort schob die Ausgabe in einen Spurenbeutel.
Kurz nach fünf kehrten sie ins Präsidium zurück. Bis morgen Mitternacht hatten sie Zeit, den Verdacht gegen Lenz zu erhärten. Was sie bis jetzt gegen ihn in der Hand hatten, waren die Zeugin, die Lenz zur Tatzeit am Tatort gesehen hatte, und ein stichhaltiges Motiv. Was fehlte, um einen Haftbefehl zu bekommen, waren Sachbeweise. Lenz’ DNA am Tatort und an den Leichen sowie Spuren der Opfer an seiner Kleidung. Letzteres konnten sie wohl vergessen.
Kirsten verabschiedete sich auf dem Parkplatz. »Ich würde gerne für heute Schluss machen. Oder steht noch etwas an?«
»Kein Problem. Ich lasse jetzt noch die Entnahme einer Speichelprobe von Lenz anordnen, und dann fahre ich auch nach Hause.«
Kirsten steckte die Hände in die Manteltasche. »Ich weiß, dass wir viel zu tun haben. Könnte ich morgen trotzdem freinehmen? Wenigstens einen halben Tag. Ich muss eine Schule für Kathi finden. Geht das?«
Auch wenn er nicht gerne auf sie verzichtete, hatte er wohl keine Wahl. »Natürlich.«
51
Kälte kroch in ihr hoch wie Raureif in der ersten Frostnacht an Gräsern und Halmen. Wie erfroren saß sie in ihrem Sessel und starrte in den Hof, der langsam in Schatten versank. Sie konnte sich nicht aufraffen, den Kachelofen einzuheizen. Graues Zwielicht sickerte in den Raum und brachte alles zum Verschwinden. Den Sessel, den Tisch, vielleicht auch sie selbst.
Clara hatte Krystyna im Krankenhaus besucht. Der Schock war überwunden, doch sie war noch immer entsetzt. »Deine Paps war so freundliche Mann. Und Franzi. Ist sich furchtbar. Ich erst
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