Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
Bis zu Achims Anruf. »Tanja sagt, man hat Hannes verhaftet. Du hättest ihn denunziert. Darf ich dazu auch etwas erfahren?«
Unausgesprochener Vorwurf, dass sie ihn nicht informierte und auf dem Laufenden hielt. Wobei es ja stimmte. Also erzählte sie ihm diese ganze vermaledeite Geschichte von Hannes’ Vorschlag, einen Teil der Münzen zu unterschlagen, und von Tanjas Versuch, an den Schlüssel fürs Schließfach zu gelangen.
»Der Schlüssel alleine hätte ihnen nichts genutzt. Sie brauchen auch eine Vollmacht, um ans Schließfach zu kommen.« Na klar. Achim war Banker. Er wusste so etwas. Tanja und Hannes ganz offensichtlich nicht. »Aber deswegen werden sie ihn ja nicht festgenommen … Ach, jetzt verstehe ich«, unterbrach er sich selbst. »Die Polizei denkt, Hannes und Tanja hätten Paps und Franzi umgebracht, damit du erbst und in der Lage bist, seine Schulden zu tilgen. Ganz schön raffiniert.« Es klang beinahe bewundernd. Er fragte, ob sie wusste, was die Polizei gegen Hannes in der Hand hatte, denn wegen seines Vorschlags hielten sie ihn sicher nicht fest.
Clara wusste es nicht und wollte es auch nicht wissen.
»Wie haben Klaus und die Kinder es aufgenommen?«, fragte er.
Sie wich aus, benutzte ein paar Floskeln.
Auch er sprach es nicht aus, deutete es nur an. Wenn du da gewesen wärst, wie es deine Aufgabe und deine Pflicht als seine Betreuerin war, würde sie noch leben. Wieder stieg Übelkeit in ihr auf. Ihre Schuld! Sie musste das Gespräch langsam beenden. »Achim, entschuldige, ich fühle mich nicht gut.«
»Ja, natürlich. Ich habe dich schon zu lange aufgehalten. Weißt du, was mir seit gestern nicht aus dem Kopf geht?«
Nein, natürlich wusste sie es nicht. Sie konnte nicht Gedanken lesen.
»Wenn du auf mich gehört und Paps in ein Heim gegeben hättest, dann wäre das nicht passiert. Dann würde er noch leben und auch Franzi. Das lässt mir einfach keine Ruhe. Ich hätte stärker auf dich einwirken sollen. Und das werfe ich mir vor.«
Es hatte einfach knacks gemacht. Etwas in ihr war gesprungen, gebrochen. Sie hatte alles falsch gemacht.
Seither saß sie hier. Die Dunkelheit hatte sich herabgesenkt und verbarg ihre Schuld vor der Welt. Wenn und hätte sausten wie Pingpongbälle durch ihren Schädel. Wenn sie Paps in ein Heim gegeben hätte, wenn sie Franzi nicht gebeten hätte. Wenn sie das Essen abgesagt hätte, wenn sie bei Paps geblieben wäre …
Wenn ich bei Paps geblieben wäre, dann wäre ich jetzt tot und nicht Franzi.
Diese Wahrheit traf sie mit einem Schlag. Sie gab ihr die Kraft, aufzustehen, ans Fenster zu gehen und den Kopf gegen die Scheibe zu lehnen. Sie war angenehm kühl. Was, wenn sie unter der Last ihrer Schuld einfach barst, in tausend Splitter zersprang, die sich in ihre Augen bohrten, durch Mund und Nase bis in ihr Innerstes vordrangen und sie aufschlitzten, und geschah, was eigentlich ihr zugedacht gewesen war, wenn ihr Schicksal sie ereilte?
Was dachte sie denn da? Mit einem Ruck hob sie den Kopf. Im Vorderhaus brannten in den meisten Wohnungen die Lichter. In der ihres Vaters ging es gerade an.
52
Dühnfort tastete nach dem Lichtschalter. Es wurde hell. Die Altbauwohnung lag ruhig vor ihm. Gestern hatten ein halbes Dutzend Kriminaltechniker hier gearbeitet. Unmöglich, seinen Gedanken Raum zu geben. Das Gefühl für einen Tatort stellte sich erst ein, wenn er ihn für sich hatte. Er schloss die Tür. Die Positionsmarkierung von Franziskas Leiche befand sich nur wenige Schritte entfernt auf dem Sisalläufer, der das Parkett im Flur schützte. Daneben die Spurennummer Eins.
Dühnfort ging ins Wohnzimmer. Einige Kupferstiche mit Münchner Motiven hingen an einer Wand. Darunter das dunkle Ledersofa. Hier hatten Franziska und ihr Vater gesessen, als es klingelte.
Sie trinken Wein und essen Erdnussflips. Er sieht fern, sie blättert in einer Modezeitschrift, die sie mitgebracht hat. Es klingelt. Ich geh schon. Sie steht auf, öffnet und lässt Hannes ein.
Dühnfort kehrte in den Flur zurück.
Hallo Hannes. Was willst du denn hier?
Ernst besuchen, ich muss etwas mit ihm besprechen.
Jetzt? Na gut, wenn es sein muss.
Sie geht voran und überlegt, was er will. Clara hat ihr von dem Vorschlag erzählt, den Hannes ihr unterbreitet hat. Will er ihren Vater anpumpen? Von Franziska unbemerkt zieht Hannes den Totschläger aus der Tasche und holt aus. Völlig unerwartet trifft sie ein wuchtiger Schlag an der Schläfe. Sie stürzt zu Boden.
Neben dem Schuhschrank
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