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Delfinarium: Roman (German Edition)

Delfinarium: Roman (German Edition)

Titel: Delfinarium: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Weins
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an.
    »Herr ..., äh ..., Martin ..., haben Sie schon etwas gehört?«
    Mein Vater verneint.
    »Ich rufe die Polizei an«, sagt Henry, »ich mache mir jetzt allmählich Sorgen.«
    »Ich auch«, sagt mein Vater, »ja, bitte tun Sie das.«
    Also ruft Henry die Polizei an, aber die vertröstet ihn, nimmt den Sachverhalt auf, notiert das Kennzeichen des Wagens usw. Von nun an gelten wir offiziell als vermisst. Vielleicht ruft jetzt mein Vater bei Petra an.
    »Petra?«, fragt er, »hast du etwas von Daniel gehört? Wann habt ihr zum letzten Mal miteinander gesprochen?«
    »Da muss ich überlegen«, lügt Petra, »das muss schon eine Weile her sein. Wieso, ist etwas nicht in Ordnung?«
    »Hm, ich weiß nicht«, sagt mein Vater. »Daniel ist nicht aufzutreiben, weder im Haus von Herrn Windgassen noch hier hat er sich blicken lassen. Die Frau ist auch verschwunden und der Wagen, es wird doch nichts passiert sein, ich mache mir langsam ernsthafte Sorgen.«
    »Ach nein«, sagt Petra, »das glaube ich nicht. Sie kennen ihn doch, er ist manchmal etwas durcheinander, aber sonst doch eigentlich immer Herr der Lage, oder?«
    »Ja, meinst du?«, fragt mein Vater, und er ist nicht überzeugt.
    »Klar«, sagt Petra, aber sie hat ein schlechtes Gewissen, es nagt an ihr, meinen Vater leiden zu wissen, und sie sagt sich, dass es eine beschissene Idee war, mich ins Vage aufbrechen zu lassen und mir ihre Hilfe anzubieten.
    »Aber wo soll er denn dann sein, Petra?«, fragt mein Vater. »Vielleicht hat es einen Unfall gegeben. Ich rufe mal die Krankenhäuser in der Umgebung an, ob er dort eingeliefert wurde.«
    »Ja«, sagt Petra kleinlaut.
    »Sagst du mir bitte Bescheid, wenn er sich bei dir melden sollte?«, sagt mein Vater.
    »Das mache ich«, sagt sie mit einer ganz kleinen Stimme, »klar, das mache ich sofort.«
    Danach sitzt sie da und schaut auf das Handy, das sie mit mir verbindet. Sie fragt sich, ob sie mich anrufen soll, um mich zur Rückkehr zu überreden. Oder ob sie mich verraten muss.
     
    Würde sie mich jetzt anrufen, müsste ich ihr erzählen, dass ich gerade im Auto sitze und Richtung Ostsee fahre, vielleicht geht es danach weiter Richtung Polen, Baltikum, Russland. Das Auto ist gestohlen, der Fahrer gesucht. Nein, Susann hätte ich nicht mehr bei mir, die hätte ich bei Max gelassen.
    »Bei diesem wildfremden Mann?«, würde sie mit einem Ton fragen, der nahelegte, ich hätte sie nicht mehr alle. »Sag mal, spinnst du jetzt komplett?«
    »Ja«, müsste ich ihr recht geben.
    »Dreh um, schnell«, würde sich mich anzischen, »beeil dich, hol sie ab und bring sie zurück, mach es nicht noch schlimmer, los, komm, denk doch mal nach.«
    Und ich würde reagieren wie ein bockiges Kind, obwohl ich wüsste, dass sie recht hätte. »Nein«, würde ich sagen. »Ich kehre nicht um!« Und dabei hätte ich ein grimmiges Lächeln im Gesicht. »Ihr könnt mich alle mal.«
    Weiter. Mein Vater ruft alle Krankenhäuser in der Umgebung an, aber ich bin nicht eingeliefert worden, genauso wenig wie Susann. Er ruft Henry an, um ihm das mitzuteilen. Henry will uns suchen fahren, mein Vater bietet seine Hilfe an. Gemeinsam machen sie sich auf zum Zoo und besuchen das Delfinarium, aber uns finden sie nicht.
    Ich stelle mir vor, wie die beiden im Delfinarium sitzen und mit leeren Augen die Show angucken und Henry erzählt meinem Vater, dass er Angst vor Delfinen hat.
    Danach weiß ich nicht weiter. Ich weiß, dass mein Vater sich die Haare rauft. Dass er da sitzt, vielleicht weint. Henry wird an den Nägeln kauen wie ich. Sind wir Opfer eines Gewaltverbrechens geworden? Sind wir entführt worden? Oder habe etwa ich Susann entführt? Bin ich gar nicht so ein netter, harmloser Typ, wie man immer denkt? Die Polizei wird in alle Richtungen ermitteln. Sie wird auch Petra befragen. Und Henry wird seine Zweifel an meiner Integrität haben. Sie werden uns suchen, mich, denke ich. Die Uhr tickt. Noch habe ich einen Vorsprung. Aber sie sind hinter mir her. Ich habe eine Frau entführt, einen Wagen gestohlen, meine Aufsichtspflicht verletzt. Ich befinde mich auf der Flucht, so sieht es aus.
    Ich folge dem Schild, auf dem Wismar steht. Ich will ans Meer. Kann schon sein, dass ich vor etwas davonfahre. Ich habe keinen Plan. Susann fehlt mir. Petra fehlt mir. Mein Vater fehlt mir. Ich fehle mir auf eine Art.
    Ich will ans Meer, weil es dort viel Sand gibt, in den ich meinen Kopf stecken kann. Ich fahre unter großen, alten Alleebäumen durch, es geht hügelauf

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