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Delhi Love Story

Delhi Love Story

Titel: Delhi Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swati Kaushal
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sage ich und nehme ihr ein paar Tüten ab.
    »Danke.«
    »Keine Ursache.«
    Während ich neben ihr gehe, fällt mir auf, dass dies ein besonderer Moment ist. Ich, Annie, habe soeben Kontakt zu einer völlig fremden Person aufgenommen. Ganz instinktiv, ohne Vorbereitung, als fiele mir das ganz leicht und ich täte es jeden Tag. Ich beobachte, wie das Mädchen langsam und müde neben mir geht, und frage mich, was an ihr mein ungewöhnliches Verhalten ausgelöst haben könnte.
    »Ich habe dich schon öfter alleine gesehen«, höre ich mich sagen. »Ich heiße Annie. Und du?«
    »Rani.«
    Rani. Das klingt schön, es passt zu ihr. Sie hat wirklich etwas Königliches, mit ihrem langen Hals, der Neigung
ihrer Schultern und ihrer geraden Haltung. Ich schaue ihre langweilige braune Uniform und ihren ausgebeulten Rucksack an.
    »Kommst du aus der Schule?«, frage ich.
    »Ja, ich gehe in die Elfte.«
    »Echt? Ich auch! Wohnst du schon lange hier? Wir sind erst vor drei Wochen eingezogen.«
    »Aus Amerika?«
    »Ja. Ich weiß, man merkt das gleich am Akzent.«
    »Kannst du Hindi?«
    »Wie bitte?«
    »Ich kann nicht so gut Englisch.«
    »Oh. Ach so.«
    Na großartig. Da finde ich endlich jemanden, mit dem ich reden will, und dann sprechen wir nicht einmal dieselbe Sprache.
    »Tut mir leid«, sagt sie.
    Ich sehe sie an. Sie wirkt peinlich berührt. Ich merke, dass sie glaubt, ich sei verärgert.
    »Kein Problem«, sage ich. »Ist doch meine Schuld, ich meine, ich sollte eigentlich Hindi können. Das ist meine Muttersprache, aber … Warte, ich versuch’s mal. Hamare naam, nein, mere naam … Annie hai? Nein, hun! Nein … « 4
    »Hai.« 5
    Ich schüttele den Kopf.
    Sie lächelt. »Immerhin hast du es versucht, das ist gut. Ich könnte dir mehr beibringen.«

    »Hindi?«
    »Wenn du magst. Und du kannst mir vielleicht mit Englisch helfen? Rupa- Didi macht das manchmal, aber sie hat so viel zu tun.«
    Rupa Bajaj. Sie kam letzten Sonntag vorbei, um uns zu begrüßen. Es war ziemlich seltsam. Ma und ich waren gerade aufgewacht und saßen müde auf dem Wohnzimmerteppich, als jemand durch die offene Wohnungstür hereinkam. Eine mittelgroße, hübsche Frau. Sie trug eine Handtasche, in der Hand blitzten Autoschlüssel. Wie in Trance ging sie direkt in unser Wohnzimmer, dann bemerkte sie uns. Wir saßen auf dem Boden und hatten noch unsere Schlafanzüge an. »Oh, bitte, bleiben Sie ruhig sitzen«, sagte sie, als Ma aufstehen wollte. »Ich bin Rupa und wohne oben. Haben Sie irgendwo meine Sonnenbrille gesehen?«
    Ma lächelte und zeigte auf Rupas Stirn: »Diese Sonnenbrille? «
    »Oh«, sagte Rupa und zog die Brille auf ihre Nase. »Kein Wunder, dass ich sie nicht finden konnte.« Sie bemerkte, dass Ma und ich Blicke austauschten. »Ihr haltet mich bestimmt für verrückt«, sagte sie.
    »Überhaupt nicht«, antwortete Ma – ich fand das ziemlich höflich von ihr.
    »Bestimmt brüte ich irgendetwas aus.« Rupa setzte sich auf die Armlehne unseres fuchsiafarbenen Sofas. »Demenz oder das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Ich muss es wissen«, fügte sie lachend hinzu, »denn ich war früher Psychiaterin!«

    »War?«, fragte Ma.
    »Sie wissen ja, wie das ist. Nach Ragis Geburt habe ich aufgehört, zu arbeiten. Die Familie steht an erster Stelle.«
    Ich dachte, dass sie von der kleinen, trotzigen Göre sprach, die ich auf dem Spielplatz kreischen gehört hatte. »Sie ist vier, so ein schönes Alter«, erzählte Rupa weiter. »Puppen, Kleider, Schlaflieder, Filzstift auf der Tapete und Trotzanfälle. Ach ja, diese ewigen Trotzanfälle. « Und noch bevor Ma ihr erwidern konnte, ihre Tochter sei nie so trotzig gewesen, blickte Rupa auf ihr nacktes Handgelenk, als sei dort eine Uhr, sprang auf und rief entsetzt: »Oh Gott, ich hätte Ragi zum Schwimmkurs bringen sollen! Ich habe sie im Auto warten lassen! Oh je, sie wird furchtbar wütend sein!« Und sie rannte aus der Wohnung.
    Ma blickte ihr mitleidig hinterher. »Vielleicht solltest du ihr anbieten, bei Gelegenheit auf ihre Tochter aufzupassen«, schlug sie vor.
    »Und vielleicht solltest du dir eine Pistole holen und mir einen Kopfschuss verpassen«, antwortete ich.
    Ich erinnere mich an diese Szene und muss lächeln. »Ja, wir haben Rupa schon kennengelernt«, erzähle ich Rani, während wir Roshini durch das schmiedeeiserne Tor betreten. »Sie wirkte etwas … gestresst.«
    »Ja, Ragi macht ihr viel Arbeit. Ich versuche zu helfen, aber –«
    »Ragi ist ganz schön anstrengend, oder?«
    Rani

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