Demonica - Ione, L: Demonica
murmelte sie, während sie über den Bürgersteig lief, auf der Suche nach einem Taxi. Da sie unter Menschen aufgewachsen war, ging sie Höllentoren lieber aus dem Weg und bevorzugte traditionellere Transportmittel. »Idiotin!«
Erst hatte sie sich feindselig über Eidolon geäußert, etwas, das nicht nur völlig unangebracht, sondern mehr als ein bisschen kindisch war. Dabei spielte es keine Rolle, dass sie wusste, was ihr Verhalten verursacht hatte – ihre Eifersucht. Nicht Eifersucht auf Taylas Beziehung mit dem Inkubus … na ja, ein bisschen vielleicht, da Gem den Mann, den sie liebte, nicht haben konnte, der noch dazu möglicherweise für die Entführung ihrer Eltern verantwortlich war, sondern vor allem auf Tays Beziehung zu ihrer Mutter.
Das hatte Gem nie erlebt. Sie hatte Teresa aus der Ferne gesehen und Fotos gemacht. Und einmal hatte sie allen Mut zusammengenommen und sie an einer Bushaltestelle angesprochen. Gem war voller Angst, fünfzehn und wie ein Punk angezogen gewesen, aber Teresas Stimme war weich und melodisch gewesen, mit einem Hauch Südstaatenakzent, der hinunterging wie Sirup, ganz anders als die abgehackten, ernsten Stimmen ihrer Adoptiveltern.
Ja, sie liebte ihre Eltern, würde ihnen für alle Zeit dafür dankbar sein, dass sie ihr das Leben gerettet und ihr eine wunderbare Kindheit und Jugend beschert hatten, aber tief im Inneren war sie wütend darüber, dass Tayla als Einzige das Recht hatte, Teresas Tochter zu sein.
Wie kleinlich, verdammt! Vor allem, wo Gem im Überfluss aufgewachsen war und Tayla … sie hatte gelitten.
Sobald Gem alt genug war, sich allein hinauszuwagen, hatte sie Tayla aufgespürt und war ihr von der Schule bis zu dem verrosteten Wohnwagen gefolgt, in dem sie mit drei anderen Pflegekindern lebte. Als Gem sie am nächsten Tag sah, trug sie dieselben Kleidungsstücke. Tayla war so oft zwischen Pflegefamilien und dem Leben auf der Straße hin- und hergesprungen, dass Gem irgendwann den Überblick verloren hatte. Erst als Teresa clean wurde und das Sorgerecht zurückerhielt, bekam Tayla endlich ein stabiles Zuhause. Zugegeben, die Wohnung, die sie mit Teresa geteilt hatte, war ein Kakerlaken-Motel, aber zwei Jahre lang schienen sie glücklich gewesen zu sein.
Bis zu jener Nacht.
Die Nachrichten hatten ununterbrochen über sämtliche blutigen Details berichtet, hatten Bilder des Tatorts gezeigt und die Geschichte, wie Teresa von einem grausamen Serienmörder in Stücke gerissen worden war und ihre Tochter Tayla vermisst wurde, groß herausgebracht. Irgendwann hatten sie Tayla gefunden, aber sie hatte den Behörden gegenüber kein einziges Wort über den Mord verloren. Danach war sie erneut in eine Pflegefamilie gekommen, aber als Gem ihre Schwester, die zu der Zeit schon wegen des Mordes an ihrem Pflegevater gesucht wurde, wiedergefunden hatte, war Tay schon bei der Aegis gewesen … Das war ungefähr zu der Zeit, als der Seelenschänder Gem aufgesucht hatte.
Sie hatte sofort gewusst, dass diese Kreatur ihr Vater war. Er war mitten in der Nacht in ihr Schlafzimmer geschlüpft; seine Absichten nur schwer zu fassen: Er hatte vorgehabt, sie zu schwängern, sein eigen Fleisch und Blut.
Der Kampf, um ihre innere Bestie in Schach zu halten, währte schon ihr ganzes Leben lang, mithilfe von Disziplin und beschützenden Tattoos. Aber in dieser Nacht hatte sie zum allerersten Mal ihre dämonische Seite die Herrschaft übernehmen lassen, hatte jeden ihr bekannten Trick angewandt, um dieses Ding, das ihr Vater war, umzubringen.
O ja, sie wusste aus eigener Erfahrung, dass es die reine Wahrheit war, was sie vorhin gesagt hatte: »Wir alle tun Dinge, auf die wir programmiert sind.« Denn ob es ihr gefiel oder nicht, dank ihres Erzeugers besaß sie nun einmal die Veranlagung zu quälen und zu töten.
Jeder einzelne Tag war ein Kampf, ein Tauziehen zwischen den beiden Hälften. Und jeden Morgen fragte sie sich, ob dies wohl der Tag sein würde, an dem ihre menschliche Hälfte diesen Kampf schließlich verlieren würde.
Eidolon lief unruhig in der Küche auf und ab, während Tayla duschte und Shade ihnen etwas zum Abendessen machte. Wraith lümmelte auf der Couch herum, Mickey in einer Achsel eingekuschelt, und spielte auf der X-Box. Es hatte anderthalb Stunden – und drei Gläser Cutty Sark – gedauert, bis sich Tayla beruhigt hatte, und dann hatte der Adrenalinabfall sie in ein bibberndes Häufchen Elend verwandelt. Sie wollte nur noch duschen, essen und schlafen, ganz
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