Demudis
weit, weil sie neben den Beginen auch uns Prediger angegriffen haben. Aber war das nicht der Sinn der Predigten? Oder war er so überaus schlau, dass er sich sowohl bei den Leuten als auch bei den Predigern als ihr Retter einschmeicheln wollte? Wilhelm sah ein, dass Bruder Hermann ihm weit überlegen war.
*
Köln, Palast des Erzbischofs,
am Vormittag des 12.2.1327
Den Erzbischof Heinrich IL von Virneburg fand Hanß mehr schlafend als wach auf seinem Throne an.
»Ehrwürdiger Vater und Herr Erzbischof Heinrich«, sagte er laut, um ihn zu wecken.
»Hanß, mein Junge«, krächzte der Erzbischof dunkel, während ihm ein wenig Speichel den rechten hinunterhängenden Mundwinkel entwich und Blasen warf, »wie schön, dass du wieder zugegen bist. Wir freuen uns sehr.«
Der Erzbischof bot ihm die Wange zum Kusse. Widerwillig folgte Hanß.
»Die Freude ist leider nicht auf meiner Seite«, beeilte sich Hanß zu sagen, nachdem er den Erzbischof geküsst hatte.
»Was hast du auf dem Herzen? Sag es deinem Vater.«
Hanß räusperte sich. »Wie ich hören musste, hat dieser Prediger, der die Anklage gegen die Beginen führt, das Volk zu Missetaten aufgestachelt.«
»Wir haben das gemeinsam entschieden, erinnerst du dich, Bruder Hanß?«, fragte der Erzbischof. Plötzlich war die Müdigkeit aus seinen Augen verschwunden, und sie blitzten bösartig.
»Ihr habt mich, wenn ich mich recht erinnere, erpresst«, begann Hanß, aber der Erzbischof ließ ihn nicht ausreden:
»Was für ein arges Wort, ›erpresst‹! Wir haben einen gerechten Handel abgeschlossen, du und wir. Du hast damals deine süßen Hurenärsche bekommen, diese beiden stinkenden Schwestern des freien Geistes, und wir bekommen jetzt den Kopf dieses elenden Bubenmeisters Eckhart. So haben wir beide etwas davon.«
»Es geht mir nicht um Meister Eckhart«, berichtigte Hanß. »Seine Lehre ist mir wie Euch zuwider. Aber als Mensch ist er ein Kind Gottes und bedarf darum unserer christlichen Nächstenliebe. Worum es mir geht, das sind die Beginen …«
»Sie lieben dich nicht, Bruder Hanß«, stichelte der Erzbischof, »nicht so, wie sie es in anderen Städten tun, wo sie dem Vernehmen nach die Kupplerinnen der Barfüßer sind. Bei uns dienen sie den Predigern. Warum die Aufregung, mein Sohn? Willst du deine Brüder, deine Stellung gar opfern für sie? Wir verstehen das nicht.«
»Meine Brüder niemals!«, sagte Hanß scharf. »Meinen Brüdern könnt Ihr nichts anhaben, sie sind untadelig. Meine Stellung dagegen steht zur Verfügung.«
»Was redest du da? Wir wollen dir nichts. Wir brauchen dich. Wir lieben dich. Also mach nicht so viel Aufhebens und kehr zurück in dein Kloster.« Die Stimme des Erzbischofs klang fast gelangweilt.
Hanß fiel ihm vor die Füße und küsste sie.
»Ich lege dir mein Amt zu Füßen«, sagte er mit gesenktem Kopf, »und mehr noch das Eingeständnis meiner schwersten Sünde, begangen damals, als ich in fleischlicher Vereinigung mit der eigenen Mutter lebte wie einst der heilige Augustinus vor seiner Bekehrung. Und daher flehe ich Euch an …«
»Lass das doch, Hanß«, sagte Erzbischof Heinrich. »Was willst du erreichen?«
»Den Schutz der Beginen und die Einstellung des Verfahrens gegen Bruder Eckhart!«
Erzbischof Heinrich schien ehrlich verwirrt. »Und warum sollten wir dir das gewähren, was auch immer dich auch geritten haben mag, diesen Unfug zu verlangen?«
»Vater«, sagte Hanß mit aller Inbrunst, die ihm zu Gebote stand, »Ihr müsst Euch hier und heute, an diesem Ort und zu dieser Stunde entscheiden, ob Ihr ein Mann der Kirche oder der Welt sein wollt.« Hanß erhob sich und steigerte seine Rede zu einem Donnergrollen. »Da Ihr dem Tode näher seid als dem Leben, so frage ich Euch, ob Ihr es wirklich wagen wollt, Gott so zu beleidigen und in die ewige Verdammnis zu fahren? Werdet Ihr Euch dafür entscheiden, den kleinlichen Hader der Welt Eurem Seelenheil zu opfern? Wofür? Ihr werdet es auf der Welt nicht mehr genießen, und im Jenseits wird es Euch mit gleicher Münze vergolten. Wenn das Volk nun die Beginen totschlägt, so werdet Ihr jeden Tag in der Hölle totgeschlagen, des ewigen Lebens wegen aber immer wieder auferstehen. Wenn der Meister der Ketzerei wegen verbrannt wird, so werdet Ihr brennen jede Stunde, und der Qualen wird nie ein Ende sein! Ich habe mich entschieden! Ich werde Gott dienen! So wie ich es von Anbeginn gewollt habe.«
Hanß machte eine Pause, um dann in gespielt leichtem Ton
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