Den Oridongo hinauf (German Edition)
dass die Toten, meine Ahnen und du, mir hier über den glatten Schädel streichen, über die nackte Haut, und hussa, wie der Nordwind weiter die Küste hochjagt, die Toten jagen die Toten, ein gewaltiges Spiel!
Wieder sehe ich den Saal im Gemeindehaus drüben in Laugen vor mir. Wie er sich langsam füllt. Die Autos, die auf den Parkplatz fahren. Die Abgase über den roten Bremslichtern. Alle, die zu Fuß kommen, allein oder in kleinen Gruppen. Sie sind Schatten in der Dunkelheit, aber wenn sie ins Licht und den Dampf des frisch aufgebrühten Kaffees treten, bekommen sie Gesichter und Namen, ich kann sie erkennen, und offenbar erkennen sie auch mich, als ich hier mit einer Tasse Kaffee bei Ellen Svendsen stehe, möglicherweise mit einem Glas Wein oben auf der Bühne in leisem Gespräch darüber, was gleich passieren wird, möglicherweise diskutieren wir die eigentliche Richtung des Interviews, wie soll Ellen die Gewichte verteilen, es kann sein, dass wir uns darüber einigen, das Positive zu betonen, Möglichkeiten und Visionen für die Zukunft, und ihre Hände gestikulieren in der Luft, wie das ihre Angewohnheit ist, ich lächele zustimmend und nicke ab und zu.
Himmel, ist das nicht Ulf Vågsvik da oben? Wer? Der, der mit Ellen Svendsen zusammen auf der Bühne steht? Der mit dem Weinglas? Ja, der soll offenbar eine Art Vortrag halten. Vortrag? Ulf Vågsvik? Lachen.
Ja, lacht ihr nur. Wartet nur, bis Ellen und ich uns warm geredet haben, wartet nur, bis ich zu Bendik Haga komme und vorschlage, seine Person unter Denkmalschutz zu stellen, wartet nur, bis ich dazu aufrufe, dass wir uns als Schutzmauer um ihn aufstellen, den wir in früheren Zeiten zurückgeblieben genannt haben, den wir heutzutage aber lieber als alternative Kraftquelle bezeichnen, als einen, dessen Fähigkeiten an unerwarteten Stellen und zu unerwarteten Zeitpunkten keimen. Lasst uns alles bewahren, das anders ist, den, der mit seinem Bus gefahren kommt, mit etwas weniger Gepäck als wir anderen, die ohnehin Privatwagen oder Moped fahren, denn ohne diese, die Kleinsten unter uns, legt sich eine kühle Hand über die Gesellschaft, dann stirbt die Vielfalt, ja, genauso werde ich ihnen etwas vorheucheln.
Kann ich mit Anders Vagles kläffendem Lachen rechnen?
Ich glaube schon.
Wir nehmen jetzt das Fahrrad, Magne. Nicht das Moped, sondern den alten Drahtesel, den ich nach allen Regeln der Kunst geschmiert und geölt habe, das Rad, mit dem du mit Berit auf Tour gefahren bist, als ihr noch jung wart. Es gibt ein Bild, das weißt du sicher, wo du so kess auf dem Sattel sitzt und Berit nicht weniger kess auf der Stange (wie man sagt), sie sitzt schräg über der Stange, und beide lächeln in die Kamera, das Foto ist unten am Fähranleger in Laugen aufgenommen worden, im Hintergrund kommt oder geht die Fähre, und du trägst einen Anorak und sie eine Strickjacke, und ihr lacht und seid jung, ich habe versucht auszurechnen, wo ich selbst damals war,
wer
ich war, aber das hat nichts genutzt, ich muss mir damals fremd gewesen sein, ein Ich, das ich nicht mehr erreichen kann. Ja, wir nehmen jetzt das Fahrrad, wir holen es hinter der Scheune, wo es am Schleifstein lehnt, und ich schiebe es vorsichtig auf die Straße, das ist nicht nötig, ich fahre, wo ich will, und wann ich will, sie mischt sich da nicht ein, es ist nicht so, dass ich mich vor ihr versteckte, ihr etwas vorenthielte, aber ich bin eben immer behutsam, das ist meine Natur. Sie könnte sich Sorgen machen, wenn sie wüsste, dass ich jetzt in der herbstlichen Dunkelheit losfahre, ohne Licht. Denn das ist meine neue Angewohnheit, genauer gesagt, eine davon. Ich fahre in der Dunkelheit von Abend und Nacht, ohne ein anderes Licht als das, was von Mond und Sternen geliefert wird, als Schatten unter anderen Schatten, tagsüber, auf dem dreirädrigen Moped, und nach Anbruch der Dunkelheit – als nächtlicher Ritter. Das ist nicht gefährlich. Ich kenne den Weg. Ich kann ihn auswendig, und es ist hier oben auf der Insel ja auch so, dass die Autoscheinwerfer auf mehrere Hundert Meter Entfernung gesehen werden können, es ist ein Kinderspiel, rechtzeitig abzusteigen, von der Fahrbahn zu gehen und stehen zu bleiben, während Fremde und Bekannte an mir vorüberjagen, ohne zu wissen, dass ich dort stehe. Aber das kommt nach halb zehn Uhr abends nicht oft vor. Ich habe mir diese Uhrzeit gemerkt, dann wird der Verkehr offenbar eingestellt, dann muss niemand an der Fähre oder von irgendwelchen Aktivitäten
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