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Den Tod im Blick- Numbers 1

Den Tod im Blick- Numbers 1

Titel: Den Tod im Blick- Numbers 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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sie uns anhaben können? Dass sie uns einsperren?«
    »Nein, Jem, es geht nicht um die Bullen – auch wenn die mich diesmal bestimmt einbuchten, die haben doch bloß auf ’n Anlass gewartet. Aber um die Bullen geht’s echt nicht. Guck mal hier.« Und er griff in seine Jackentasche, zog einen braunen Umschlag raus, einen großen zusammengefalteten, und gab ihn mir.
    »Was ist das?«
    »Guck rein.« Ich faltete das Ende auf und spähte hinein. Es waren Geldscheine drin. Ein ganzer Haufen Scheine. Ich schob meine Hand in den Umschlag und zog sie raus. Ehrlich gesagt hatte ich noch nie in meinem Leben so viel Geld gesehen und schon gar nicht in den Händen gehabt.
    »Das ist unsere Zukunft, Jem. Also, zumindest reicht das für die nächsten paar Wochen.«
    Ich hielt die Scheine mit einer Hand fest und blätterte mit dem Daumen der andern an einer Ecke entlang, so wie man durch ein Buch blättert. Es mussten Hunderte gebrauchte Fünfer und Zehner sein. Tausende Pfund. »Was hast du gemacht? Eine Bank ausgeraubt?«
    Er kaute an seinem Fingernagel und sah mich an, ohne zu antworten.
    »Was hast du getan, Spinne?«, fragte ich leise.
    Er schaute nach unten und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. »Ich hab den letzten Deal nicht gemacht.«
    »Das Geld gehört Baz? Du hast Baz beklaut? O Gott, Spinne, die bringen dich um!«
    Er kaute wieder an seinem Nagel. »Nur wenn sie mich finden. Deshalb kann ich ja nicht zurück. Gibt jetzt nur noch dich und mich, Jem. Wir müssen das tun. Wir müssen was Neues anfangen. Noch mal von vorn beginnen.«
    Ich schloss die Augen. Es gab kein Zurück. Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter.
    »Alles in Ordnung mit dir?« Ich antwortete nicht, wusste nicht, was ich sagen sollte. »Ich kann dich irgendwo absetzen, wenn du willst. Ich kann nicht zurück, aber du schon. Du könntest zurück, Jem.«
    Ich ließ seine Worte nachklingen. Er meinte das wirklich – er würde ohne mich weitermachen. Aber was erwartete mich, wenn ich zurückging? Die Polizei, die Fürsorge, Karen? Ich öffnete die Augen und er starrte mir direkt ins Gesicht, sah mich so richtig an. Wie viele Menschen in meinem Leben sahen in mir mehr als bloß ein merkwürdiges stilles Mädchen mit Kapuzenshirt? Wie viele Leute hatten sich jemals wirklich Sorgen um mich gemacht? Spinne war anders: Er war lustig, verrückt, ruhelos, leichtsinnig. Er war in Ordnung.
    »Nein«, sagte ich. »Schon gut. Ich bin dabei. Wär doch nicht schlecht, mal zu gucken, wie es in Weston-Super-Wieauchimmer aussieht.«
    Er grinste und nickte. »Dann lass uns auf der Straße da weiterfahren und nach ’ner Tankstelle suchen, wo’s was Richtiges zu essen gibt und ’ne Karte, damit wir uns zurechtfinden.«
    »Okay«, sagte ich, »also los.«
    Wir wendeten auf unserer Seitenstraße in dreiundzwanzig Zügen und fädelten uns wieder in die Kolonne ein. Nach ungefähr zehn Minuten entdeckten wir eine Tankstelle und fuhren an eine der Zapfsäulen. Nach ein bisschen Gefummel fand Spinne den Knopf, um den Tankdeckel zu entriegeln, und erledigte alles. Gemeinsam gingen wir in den Laden und ich verschwand aufs Klo, während Spinne die Arme volllud – Cola, Chips, Schokolade, ein paar Sandwiches. Genug, um uns ein paar Tage am Leben zu halten. Die Leute sahen uns etwas scheel an. Scheiße , dachte ich, die erinnern sich doch später an zwei bepackte Jugendliche.
    Die Schlange war schmerzlich lang.
    Der Typ hinter dem Tresen hatte das Radio an. Die Musik wurde für die Nachrichten unterbrochen. »London trauert nach einer schweren Explosion, die das London Eye zerstört hat … sieben Tote und zahlreiche Verletzte … die Polizei sucht nach zwei Jugendlichen, der eine ein Schwarzer, sehr groß, der andere kleiner und von schmaler Statur.«
    Mir kribbelte der ganze Körper. Ich fühlte mich, als hätte ich ein großes Neonschild mit der Aufschrift DAS SIND SIE auf der Stirn. Spinne hatte es auch gehört, er schaute zu Boden, trat von einem Fuß auf den andern und kaute an seinen Lippen. Ich wartete nur drauf, dass irgendjemand was sagte oder sich einen von uns schnappte. Es war eine echte Qual. Alles in mir wollte die Tüten fallen lassen und einfach losrennen, aber ich unterdrückte den Impuls. Bleib cool, bleib cool . Wir kamen zentimeterweise voran. Die Nachrichten waren zu Ende und Musik erklang, als wir gerade die Kasse erreichten. Der Typ sah uns noch nicht mal an, sondern fragte nur nach der Nummer der Tanksäule und scannte die Sachen ein.

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