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Den Tod im Blick- Numbers 1

Den Tod im Blick- Numbers 1

Titel: Den Tod im Blick- Numbers 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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wurde. Und direkt darunter ein zweiter Pool, rechteckig und grün, mit irgendwelchen Statuen am Rand und leichtem Dampf, der vom Becken aufstieg. Für mich sah es so aus, als könntest du vom Turm direkt reinspringen. Runterspringen und alles wegwischen, die Erinnerungen, den Schmerz, die Schuld. Du musstest bloß auf die kleine Mauer steigen und springen …
    Von tief unten drang eine Stimme zu mir hoch. »Da ist sie!«
    Auf dem Platz vor der Kathedrale wendeten sich die von Flutlicht erhellten Gesichter nach oben. So weit weg wirkten sie alle gleich, wie ein Haufen Puppen. Der Boden unten schien sich zu bewegen, die Menschen verschmolzen zu einem Muster, das mir vor den Augen verschwamm und sich veränderte.
    Meine Beine gaben nach und ich sank nieder. Wer machte sich da über mich lustig? Ich konnte nicht runterspringen – meine Kraft und meine Nerven versagten auf einmal. Meine Knie zitterten jetzt so stark, dass ich nicht mal die Treppen schaffte. Deshalb rutschte ich die Stufen auf dem Hintern hinab, eine nach der andern. Ich hab keine Ahnung, wie lange es dauerte – ich schloss die Tür hinter mir nicht wieder ab, sondern plumpste und kroch nur den ganzen Weg nach unten, zurück in die Kathedrale und dann über den kalten Boden in die Sakristei.
    Ich rollte mich neben Karen in meinem provisorischen Bett zusammen und schloss fest die Augen, aber die Zahlen waren immer noch da: die Zahlen von Ma, Karen, dem alten Penner, den Bombenopfern.
    Und die von Spinne.

KAPITEL 33
    »Keine Angst, Jem. Wir sind es nur. Simon und ich.«
    Ich tauchte wieder an die Oberfläche, durch das grüne Wasser auf das Licht zu. Eine Frauenstimme sprach zu mir und von irgendwo weit weg kramte mein Gedächtnis die Brocken wieder zusammen. Ich setzte mich auf, rieb mir den Schlaf aus den Augen und schluckte das Bittere in der Kehle runter. Anne stand drüben am Tisch, auch Karen war bereits auf.
    »Ich habe ein bisschen Saft mitgebracht«, sagte Anne. »Soll ich schon mal den Wasserkessel aufsetzen? Karen und du, ihr könnt doch bestimmt einen Tee vertragen. Simon, willst du auch einen?«
    In ihrer Stimme lag ein Zittern, das ich mir nicht erklären konnte. Sie versuchte normal zu klingen, normale Dinge zu sagen, aber das Flattern in ihrer Stimme ließ sie verängstigt wirken. Wovor hatte sie Angst?
    Es war mir peinlich, dass mich all diese Menschen im Bett sehen konnten, sozusagen in geschwächter Position. Ich schwang die Beine hinaus und richtete mich auf. Einen kurzen Moment wurde mir erst rot, dann schwarz vor den Augen und ich fasste nach dem Tisch, um nicht umzukippen.
    »Bisschen zu schnell aufgestanden?« Anne hatte den Arm halb um mich gelegt und stützte mich, auch wenn sie meinen Körper auf Abstand hielt. Wenn eine Zange da gewesen wär, hätte sie mich mit der angefasst. »Setz dich hin, das hilft. Du siehst so aus, als ob du nicht besonders viel gegessen hast. Nimm was von dem Toast. Hier.« Sie löste die Alufolie von einem Paket.
    Darin befand sich ein kleiner Stapel Toastscheiben, zu Dreiecken geschnitten. Ich konnte nicht, es war unmöglich, irgendwas zu essen – mir drehte sich schon der Magen um, wenn ich die Scheiben nur ansah. Ich war doch gerade erst aufgewacht.
    »Ähm, ich hab noch keinen Hunger. Vielleicht später.«
    »Dann trink ein bisschen Tee. Hier.« Sie stellte vier Becher auf den Tisch und setzte sich zu Karen und mir.
    Simon blieb stehen. Er war blasser denn je und schien die Absicht zu haben, nicht von uns zu weichen. Immer wieder fuhr er sich über die Lippen und zog seine Stirn kraus. Irgendwann brachte er es endlich raus.
    »Du bist gesehen worden, Jem, letzte Nacht. Auf dem Kirchturm.«
    »Du bist was?«, prustete Karen.
    »Jem war draußen auf dem Dach, oben auf dem Kirchturm. Sie muss die Schlüssel genommen haben. Das war sehr gefährlich – allein da raufzugehen. Es wurden Fragen gestellt. Stephen wird bald hier sein.«
    »Wann war das?«, fragte Karen.
    Ich seufzte. »Nachdem du eingeschlafen warst. Ich konnte nicht einfach daliegen. Zu viele Dinge sind mir im Kopf rumgegangen, da hab ich mich ein bisschen umgeschaut. Sind Sie denn noch nie allein hier rumgelaufen?«
    »Doch, natürlich«, sagte er. »Aber das ist etwas völlig anderes. Du bist noch ein Kind, ich bin erwachsen, ich bin … verantwortlich.« So wie er dastand, sein Gewicht immer wieder von einem Fuß auf den andern verlagerte und die Hände rang, konnte ich mir nur schwer einen Menschen in seinem Alter vorstellen,

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