Denn dein ist die Schuld
der Falle. Antwortete er mit Ja, würde man ihn wegen Entführung und wer weiß was noch anzeigen. Darauf stand lebenslänglich. Wenn er nein sagte, würde man ihn in eine Gemeinschaftszelle zu den anderen Gefangenen verlegen. Und die vergangenen Tage in San Vittore hatten ihm eine wenn auch nur vage und unvollständige Vorstellung davon gegeben, was jemandem zustoßen konnte, der kleinen Kindern weh tat.
Pasquale Scifo nahm den Kopf zwischen die Hände und fing an zu weinen.
KAPITEL 93
Mittwoch, 14. März, 18:00 Uhr
»Jetzt ist der Fall ziemlich klar.«
Vincenzo Marino und Sandra Leoni kehrten vom Verhör ins Präsidium zurück. Sie waren zufrieden, so wie man es eben sein konnte, wenn man einen Blick auf die Hölle geworfen hatte, die diese Kinder durchlitten hatten.
Pasquale Scifo und Andrea Della Volpe waren jetzt auch wegen Entführung angeklagt, neben einer Reihe von weniger schweren Vergehen quer durch das Strafgesetzbuch. Sie würden kaum etwas aushandeln können. Sie konnten nur durch rückhaltlose Kooperation und ihre Bereitschaft auszusagen darauf hoffen, das Strafmaß auf unter lebenslänglich zu verkürzen, schließlich war eines der Opfer tot und das andere spurlos verschwunden.
»Ja, es handelt sich um eine richtige Organisation. Erst ködern sie die Leute mit Glücksspiel und Drogen, und wenn denen dann das Wasser bis zum Hals steht, lassen sie sie ihre schmutzige Arbeit erledigen.« Sandra Leoni genoss ihren persönlichen Triumph in der Angelegenheit. Sie hatte auf diesen Verhören bestanden, die sich als Schlüssel zur Lösung des Falls entpuppten. Ihr Vorgesetzter allerdings verdarb ihr die Freude.
»Es tut mir leid. Wenn du meinst, dass das dein Verdienst ist, dann hast du dich geschnitten. Die Carabinieri waren uns meilenweit voraus. Sie warteten nur darauf, konkrete Beweise in die Hände zu bekommen, dann hätten sie sie schon zum Reden gebracht. Auf ihre Weise.« Vincenzo grinste böse. »Das hat mir dieser pomadige Typ - na ja, der Tenente Colonnello eben - gesagt. Er meinte, nur falls wir uns das Lokal näher anschauen wollten, also das Dany wäre ihre Angelegenheit, weil sie es schon seit längerem observierten. Sie hätten nur nie etwas unternommen, weil …«
»Weil sich in den Spielhöllen Informanten rumtreiben und man daher viel Geduld hat. Sprich es ruhig aus, verflucht noch mal! Aber eigentlich darf er jetzt nicht sagen, dass es nur sein Verdienst ist. Wenn wir ihn nicht auf diese Spur gebracht hätten …«
» Piccere’, statte accuòrta! Kleine, pass auf! Das ist ein höchst komplexer Fall mit ganz verschlungenen Pfaden. Man startet bei A, kommt auf B, dann C und D. Letzten Endes kommt man immer zu Z. Wir konnten ihn nur darauf bringen, weil die Zeit dafür reif war.« Und weil sie, die Carabinieri, das zugelassen haben, hätte er gern angefügt. »Anscheinend sind ab und zu Anrufe in der Telefonzentrale eingegangen, weil es dort verdächtige Bewegungen gegeben haben soll. Das Lokal liegt neben einer Müllkippe und stinkt wie eine Jauchegrube. Aber immer, wenn die Streifenwagen auftauchten, war da kein Mensch. Einmal haben die Carabinieri sogar aufgrund so einer Meldung das Lokal betreten. Allerdings konnten sie es nicht wirklich durchsuchen, weil sie keine Genehmigung hatten. Sie haben nur die eine oder andere Schublade aufgezogen und Papierkram mitgenommen. Dann sind sie wieder zur Station zurückgekehrt, haben dem diensthabenden Offizier Bericht erstattet und alles ihrem Vorgesetzten auf den Schreibtisch gelegt. Es war kein dringender Fall. Dann wurde dieser arme Carabiniere von den Nazis totgeprügelt, und daraufhin hat man die Routineermittlungen erst einmal beiseitegelegt. Die im Dany beschlagnahmten Unterlagen landeten in einer Schublade. Gestern Abend hat sich nach den Verhören der beiden jemand an diese Papiere erinnert. Sie haben die Dokumente ausgegraben, und? Dort sind tatsächlich Namen und Schulden vermerkt von - na, rate mal?«
»Scifo und Della Volpe …«
»Nur von Scifo. Jetzt sind die Dokumente zu belastendem Beweismaterial geworden.«
»Sag mal, Vincenzo, warum weißt du all diese Dinge und ich nicht? Habt ihr beiden mich etwa nur veräppelt, du und dieser Mister Brillantine?« Sandra Leoni klang ausdruckslos und kontrolliert, aber innerlich kochte sie vor Wut.
»Reg dich ab, Leo’, darauf komme ich noch. Gestern Abend hat mich jemand angerufen. Sereni … Er wollte mich treffen. Ich hatte gerade geduscht und hatte keine Lust, mich wieder
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