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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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Hause zurückkehren. Sonst kommt bestimmt innerhalb der nächsten Stunden jemand, um euch zu befragen. Doch wenn ihr einverstanden seid, solltet ihr jetzt lieber alle nach Hause gehen. Was meinen Sie, Maestro Lovati?«
    »Ja, sicher, das verstehe ich. Von mir aus spricht nichts dagegen.«
    Der Maestro war sichtlich erschüttert, er wurde totenblass und zitterte. Der Don dachte noch, dass er höchstwahrscheinlich seine Sorge mit einem Glas Wein herunterspülen würde. Oder auch zwei oder drei!
    Na wenn schon!
    »Gut. Wer bringt die Kinder heute Abend nach Hause? Ach ja, dahinten sitzen ja der Vater von Monica und Matteos Mama … Ja, dann wünsche ich allen eine gute Nacht. Leonardo, könntest du noch kurz zu mir ins Pfarrhaus mitkommen? Ich muss mit dir sprechen.«
    Leonardo spürte, wie ganz plötzlich alles Blut aus seinem Kopf wich.
    »Ja sicher, Don Mario«, sagte er und war jetzt weißer als ein Laken. »Ich schalte nur alles aus, und dann komme ich zu Ihnen.«
     

KAPITEL 27
    Freitag, 9. Februar, 02:00 Uhr
    Eine sternenklare, allerdings eiskalte Nacht.
    In den Ecken und aufgehäuft auf den Bürgersteigen lag noch Schnee. Schmutziger, harschiger, zu Eisklumpen gefrorener Schnee. Mailänder Schneematsch, was nach ergiebigen Schneefällen eben so übrig blieb. Zu Fuß kam man kaum mehr vorwärts, aber mit dem Auto war es noch unerträglicher.
    Zur Arbeit und zum Supermarkt und zurück nach Hause brauchte man Stunden und war gezwungen, die Abgase der vor einem fahrenden Wagen einzuatmen.
    Darüber ärgerten sich die, die zumindest ein Zuhause besaßen und das Auto im Warmen in der Garage oder Tiefgarage abstellen konnten.
    Für alle anderen, die nur den Bürgersteig zum Schlafen und Hauseingänge zum Unterstellen hatten, war Mailand mit dieser für Februar ungewohnten Kälte noch schlimmer.
    Eigentlich war Mailand zu jeder Jahreszeit viel schlimmer für Leute, die kein Dach über dem Kopf hatten. Im Sommer war es eine Hölle aus glühendem, aufgeweichtem Asphalt. Im Winter ein eiskalter Sumpf. In Mailand kam es öfter vor, dass Menschen, wenn es kälter wurde, einsam unter ihren Kartonschichten erfroren und tagelang nicht entdeckt wurden.
    Oder dass Kinder am Straßenrand in dem erbärmlichen Schutz ausrangierter Autos zur Welt kamen, die in provisorische Behausungen umfunktioniert worden waren.
    Oder dass man für einen Platz auf einer der wenigen Bänke an den Alleen abgestochen wurde, weil die Parks nachts geschlossen wurden und dort keiner übernachten durfte.
    Zu essen gab es genug. Jeden Tag fand man diverse Anlaufstellen für eine warme Mahlzeit: die Franziskanermönche, die Suppenküche der Caritas, die freiwilligen Helfer von Fratel Ettore und die unzähligen karitativen Organisationen und Vereine, die, so gut sie konnten, an die Existenzbedürfnisse all derer dachten, die sonst nicht überlebt hätten. Dabei warfen ihnen die städtischen Behörden ständig Knüppel zwischen die Beine, denn diese waren bemüht, ihre Stadt schön und sauber zu halten.
    Eine Säuberungsaktion: Wir schmeißen alle Armen raus, und schon blitzt und blinkt die ganze Stadt wie die Auslagen der teuren Geschäfte in der Via Montenapoleone.
    Und duftet wie der Verkaufsraum vom Café Cova .
    Wirkt so schick wie die Schaufenster der Designerboutiquen in der Via della Spiga.
    Wie der doppelköpfige Janus hatte Mailand zwei Gesichter: ein unerbittliches für jeden, der in Schwierigkeiten steckte, wie Fremde ohne Papiere, und vor allem gegenüber den Roma. Dann wurde es in Abstufungen zunehmend weniger unfreundlich, es unterschied zwischen schmutzigen, stinkenden alten Leuten, den seit der Reform durch das Gesetz Basaglia sich selbst überlassenen Geisteskranken, den Rentnern, denen ab der Monatsmitte das Geld ausging, den Mietern aus den ehemaligen Sozialbauten, denen gekündigt wurde, weil man ihre Wohnungen an Immobilienspekulanten verkauft hatte, die diese danach in Luxusappartements umwandelten, zwischen all den Verzweifelten ohne festen Wohnsitz, ohne Angehörige, ohne Rechte, Frieden und Hoffnung.
    Aber zum Glück hatte die Stadt noch eine andere Seite. Die sich uneingeschränkt solidarisch verhielt ohne Rücksicht auf politische oder religiöse Ansichten oder Hautfarbe. Und an dieser Stelle muss einmal gesagt werden: Auch wenn die Stadt mit Sicherheit alles andere als ein Paradies war, so gab es dort doch zumindest Engel.
    Genauso hießen sie auch: City Angels .
    Engel der Stadt.
    Zu erkennen an ihren roten Westen und der

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